Mit scharfen Angriffen auf den Berliner Koalitionspartner SPD hat der scheidende Parteichef Edmund Stoiber auf dem CSU-Parteitag in München seinen Abschied eingeläutet. Einen Tag vor der Wahl seiner Nachfolger warf der bayerische Ministerpräsident den Sozialdemokraten am Freitag vor, sie knickten vor der Linkspartei und deren Chef Oskar Lafontaine ein. Zugleich rief Stoiber die CSU auf, Volkspartei zu bleiben. Er bekannte sich zu Ehe und Familie und warnte, die Partei sei "kein Happening". Sie werde durch Werte zusammengehalten "und nicht durch Show".
Huber erwartet "klaren Auftrag"
Der Parteitag steht im Zeichen des größten personellen Umbruchs der CSU seit Jahrzehnten. Wichtigster Punkt der Tagesordnung ist am Samstag die Wahl des neuen CSU-Vorsitzenden. Als Favorit gilt der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, außerdem kandidieren Bundesagrarminister Horst Seehofer und die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Huber sagte, er erwarte vom CSU-Parteitag "einen klaren Auftrag" als neuer Parteichef. Für das Amt des Generalsekretärs habe er mehrere Namen im Kopf. Seehofer räumte ein, dass Huber als Favorit in die Wahl gehe.
Pauli will Türkei die Türe offen halten
Pauli wiederum kündigte zwei Änderungsanträge zum CSU-Grundsatzprogramm an, dessen Verabschiedung am Freitag in München im Mittelpunkt stand. Zum Einen schlug sie den Satz vor: "Unter Familie versteht die CSU alle Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen." Zum Anderen kündigte sie einen Antrag zum EU-Beitritt der Türkei an, für den die Tür offen gehalten werden solle. Stoiber sollte am Abend nach der Gastrede von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zum CSU-Ehrenvorsitzenden gewählt werden. Er feierte am Freitag auf dem Parteitag seinen 66. Geburtstag und wurde von den Delegierten mit Ovationen bedacht.
Stoiber geißelt SPD
Als eine Art politisches Vermächtnis bekannte sich der scheidende Parteichef mehrfach zur sowohl konservativen als auch sozialen Ausrichtung der CSU. Sie müsse politische Heimat für alle Schichten sein und sei mehr als eine Interessenpartei. Zugleich kritisierte Stoiber, das Wahlprogramm der Union 2005 sei zu marktwirtschaftlich gewesen und habe zu wenig die soziale Marktwirtschaft betont. Der SPD warf der scheidende CSU-Vorsitzende vor, sie sei kopflos, zerstritten und knicke programmatisch vor der Linkspartei ein. "Die SPD hat ihre Seele an Lafontaine verloren. Und eine neue ist nicht in Sicht!", rief Stoiber aus. SPD-Chef Kurt Beck sitze am Klavier und habe keine Partitur. Der bayerische Ministerpräsident attackierte insbesondere Vertreter der SPD-Linken wie Wolfgang Thierse und Andrea Nahles. Diese huldigten im neuen SPD-Grundsatzprogramm der "stolzen Tradition des demokratischen Sozialismus". Dies sei ein "Affront gegen die Freiheit", kritisierte Stoiber. "Das ist die Kapitulation vor Lafontaine. Dieses Programm bricht mit der Ära Schröder!"
Scharf griff Stoiber auch die zögerliche Haltung der SPD in der inneren Sicherheit an. Mit ihrer Verweigerungshaltung falle sie beim Schutz vor Gewalt und Terror hinter den früheren Innenminister Otto Schily zurück. "Hier müssen wir die SPD stellen und dürfen nicht einknicken", sagte der CSU-Chef. Zugleich bekräftigte Stoiber seine Forderung nach Einführung eines Betreuungsgelds für Eltern, die ihre Kinder nicht in Krippen schicken. Dabei griff er Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) direkt an. Es sei inakzeptabel, wenn diese das Betreuungsgeld als bildungspolitische Katastrophe bezeichne, sagte er. Stoibers designierter Nachfolger als Ministerpräsident, Günther Beckstein, sprach von einer riesigen Herausforderung. Die Sacharbeit werde aber nach der Kabinettsbildung nahtlos weitergehen. Umfragen zeigten, die CSU habe ihre Krise überwunden.