Er wollte es anders machen. Eine Partei neuen Typs gründen, sie sollte nicht rechts, nicht links sein, sondern sich vom "gesunden Menschenverstand" leiten lassen. Das war die Idee von Bernd Lucke, als er die Alternative für Deutschland gründete. Jetzt steht er vor den Trümmern seiner Idee. Die Führung zerfleischt sich, die Flügel, Wirtschaftsliberale und Deutschnationale, bekämpfen sich, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Lucke die AfD verlassen wird. Die Partei des "gesunden Menschenverstands" versinkt im Chaos.
Was ist schiefgelaufen?
Bernd Lucke ist an sich selbst gescheitert. Was der Job eines Politikers ist, hat er nie verstanden. Es sind nicht die Reden, die Auftritte in Talkshows, es ist der Interessensausgleich. Ein Politiker muss die verschiedenen Interessen, sei es in einer Partei oder Regierung, ausgleichen. Er muss andere Meinungen zulassen und Kritiker einbinden, er muss Lösungen für alle finden, er muss Kompromiss können. Sonst scheitert er.
Irgendwann kommen Parteien in die Pubertät
Kompromiss wollte Bernd Lucke nie. Wer ihn in Talkshows und bei öffentlichen Auftritten beobachtete, konnte es erkennen. Alle Anwesenden hatten Unrecht, nur er nicht. Er besaß die Fackel der Wahrheit, und er ließ die Fackel lodern.
So etwas nervt. So etwas nervt vor allem, wenn eine Partei fast nur Prediger der Wahrheit anzieht, und genau die haben sich bei der AfD gefunden. Es sind Gläubige, Menschen mit festem Weltbild, an dass keiner rütteln darf ("Früher war alles besser", "Gendermainstreaming ist doof", "Der Euro ruiniert uns", "Frauen sollen sich um die Kinder kümmern").
Natürlich brauchen Parteien gemeinsame Werte, brauchen Meinungen, hinter denen sich Menschen versammeln. Nur so entstehen sie überhaupt. Aber irgendwann kommen Parteien in die Pubertät, ihre Chefs müssen dann die verschiedenen Meinungen bündeln, damit die Partei handlungsfähig wird. Die Grünen haben das geschafft, die Piraten nicht und die AfD vermutlich auch nicht. Bernd Luckes Job wäre es gewesen, zu integrieren und Gemeinsames zu betonen, er hätte Kompromisse finden müssen. Doch Lucke wollte nicht. Er wollte Recht behalten.
Für die AfD ist Luckes Scheitern fatal
Um Luckes persönliches Scheitern ist es nicht schade. Wer in die Politik strebt, aber die Hauptqualifikation - die Suche nach Kompromiss - nicht beherrscht, hat dort nichts zu suchen. Ein Koch, der nicht Gemüse schneiden und Suppen abschmecken will, hat in einer Küche auch nichts verloren.
Für die AfD ist Luckes Scheitern dagegen fatal. Nach seinem Weggang wird sie vielleicht als rechte Resterampe überleben, ihre politische Bedeutung aber wird schwinden. Viele Linke, Grüne, Unionspolitiker und Liberale werden sagen: Wir haben es gewusst. Die AfD ist doof und unfähig. Klar, man muss diese Partei, ihre Inhalte und ihre Vertreter nicht mögen, diesen muffigen Geruch der Gestrigkeit, den ihre Protagonisten verströmen. Zur Demokratie gehört es aber auch Meinungen auszuhalten, die einem nicht gefallen.

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Die AfD hat eine wichtige Funktion. Sie hat Wähler angezogen, die andere Parteien nicht mehr erreichen. Ohne die AfD wendet sich dieses Klientel ab und ist für parlamentarische Demokratie verloren. Das kann kein überzeugter Demokrat wollen, weil unser System davon lebt, dass viele mitmachen und sich nicht abwenden. Luckes Scheitern ist schlecht für die Demokratie.
Andreas Hoffmann wunderte sich auf AfD-Parteitagen oft über den Streit um Satzungen und Redezeiten. Die AfD-Anhänger stritten darüber oft härter als um Inhalte. Er twittert unter AndreasHoffman8.