Er schaffte es zwar nicht in den Bundestag, aber er ist dennoch so etwas wie der neue Polit-Star: Bernd Lucke, Chef der Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" (AfD). 33 Jahre lang war er Mitglied der CDU, im Dezember 2011 trat er aus Protest gegen die Euro-Rettungspolitik aus. Seine Neugründung AfD, die bei der #link;www.stern.de/politik/deutschland/interaktive-wahlgrafik-so-hat-deutschland-gewaehlt-2058206.html;Bundestagswahl am Sonntag# aus dem Stand 4,7 Prozent der Stimmen erhielt, nennt er "aus der Mitte der Gesellschaft" kommend und eine "Volkspartei", sich selbst sieht er noch immer als ein "in der Wolle gefärbten Christdemokraten", also als einen guten, netten Bürger.
Aber ist er das? Ein Mann, dem jeder vertrauen kann?
Lucke schweigt
Im politischen Kampf setzt Lucke Worte ein, die einen zweifeln lassen, ob er es wirklich aufrichtig meint mit seiner Position der Mitte. Die AfD, behauptete er am Wahltag, habe die Demokratie "ertüchtigt". Starke Worte. Denn in dieser Demokratie, so die Analyse des Wirtschaftsprofessors aus Hamburg, habe es in den vergangenen Jahren "so viel an Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus" gegeben.
Entartung? Was für ein Wort.
"Entartete Kunst", "entartete Musik" - das war im NS-Regime alles, was kulturell der Nazi-Ideologie widersprach. Ein Professor, auch wenn er kein Linguist ist, muss wissen, was für Worte er benutzt. Aus Zufall sagt man nicht: "Entartung der Demokratie". Von diesem Satz ist es bloß noch ein kleiner Gedankenschritt hin zur Verhöhnung des Parlaments als "Quasselbude". Frage also: Ist der Biedermann ein Brandstifter?
Die Anfrage von stern.de, weshalb er das Wort "Entartung" benutzte, ließ Lucke unbeantwortet.
Streit um "Lügen-Lucke"
Wie er tickt, offenbart sich auch in seinem juristischen Hick-Hack mit dem Forsa-Institut, das für den stern und RTL den wöchentlichen Wahltrend erstellt. Begonnen hatte der Streit damit, dass Lucke den Wahlforschern im "Handelsblatt" vorgeworfen hatte, sie würden ihre Umfragen zu Ungunsten der AfD manipulieren. Gegen diese Behauptung erwirkte Forsa vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung. Lucke wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro angedroht, sollte er diesen Vorwurf wiederholen.
Forsa-Chef Manfred Güllner nannte den AfD-Mann daraufhin öffentlich "Lügen-Lucke". Gegen diese Bezeichnung wiederum zog Lucke vor Gericht. Sein Anwalt erklärte, mit dieser Äußerung würden die "Persönlichkeitsrechte von Professor Dr. Bernd Lucke und die Persönlichkeits- und Eigentumsrechte der Partei 'Alternative für Deutschland' verletzt". Aufschlussreich dabei: Als seinen Rechtsvertreter wählte Lucke den Hamburger Anwalt Corvin Fischer.
AfD fischt in rechten Gewässern
Corvin Fischer wurde bundesweit bekannt als Verteidiger des Neonazis Jürgen Rieger. Der 2009 gestorbene Rechtsextremist und Holocaustleugner hatte unter anderem durch sein Neonazi-Zentrum "Heisenhof" im Landkreis Rotenburg Schlagzeilen gemacht, in Delmenhorst wollte er ein Hotel für ein rechtes Schulungszentrum kaufen. Enge Beziehungen hatte Fischer auch zu dem Hamburger Rechtspopulisten Roland Schill, dessen Rechtsbeistand er war und bei dem Schill nach seinem Abtauchen offiziell gemeldet war. Warum beauftragte Lucke ausgerechnet diesen einschlägig bekannten Anwalt, der in seinem Abmahnschreiben an das Forsa-Institut ausdrücklich um Anonymität bat? Auch auf diese Frage von stern.de reagierte Lucke nicht.
Für Forsa-Chef Manfred Güllner ist das Fischer-Mandat ein weiteres Indiz für für das Abdriften vieler AfD-Anhänger in den Rechtspopulismus. Die AfD fische "dort, wo schon der Republikaner Franz Schönhuber oder der Hamburger Roland Schill erfolgreich waren", sagte er stern.de. 16 Prozent der jetzigen AfD-Wähler hätten bei der Wahl vor vier Jahren einer Partei am rechten Rand ihre Stimme gegeben - damit ordnet sich rund jeder sechste AfD-Wähler rechtsaußen ein. Kein Wunder, dass es da zu Aktionen wie dem Abfackeln von Euro-Noten durch AfD-Mitglieder kommt.
Güllner: "Wer wenige Schritte vom Bebelsplatz entfernt, wo Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels einst Bücher verbrennen ließ, Euro-Scheine verbrennt, hat entweder kein Gespür oder er macht es bewusst." Lucke äußerte sich nicht auf die stern.de-Frage, inwieweit der AfD Wähler am rechten Rand willkommen sind oder ob sie versuche, diese Wähler so weit wie möglich von sich fernzuhalten.
Übrigens: Das Landgericht Hamburg hat den Lucke-Antrag umgehend abgewiesen. Schließlich habe der Antragsteller zuvor eine "unwahre und ehrverletzende Behauptung" aufgestellt. Der Forsa-Chef darf Lucke nun weiter mit richterlicher Genehmigung "Lügen-Lucke" nennen. Das Gericht bewertete die Güllner-Äußerung als "eine zulässige Meinungsäußerung, zu beurteilen sei sie unter dem Gesichtspunkt des 'Rechts zum Gegenschlag'."