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Interviewabbruch "Höcke wird dieser 'Eklat' ganz recht sein"

Björn Höcke, Landessprecher der AfD von Thüringen
AfD-Politiker Björn Höcke bricht ein Interview mit dem ZDF ab – und das nach nur etwa 10 Minuten.


Nachdem ZDF-Redakteur David Gebhard die Bitte des AfD-Politikers um eine Wiederholung des Gesprächs ablehnt, entscheidet Höckes Pressesprecher sich für einen Abbruch.


Das Gespräch wurde am Sonntag in der Sendung „Berlin direkt“ ausgestrahlt – und sorgt bei Twitter für große Aufruhe.


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Höckes Pressesprecher nennt als Grund für den Gesprächsabbruch eine zu starke Emotionalisierung des Politikers.


Da können die Twitter-User nur drüber lachen:


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Die Nutzer sind vor allem von Höckes politischen Ambitionen schockiert:


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Lob bekommt dagegen der ZDF-Redakteur, der das Interview führte:


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Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen, hat ein Interview mit dem ZDF abgebrochen. Ein kalkulierter Eklat? Zumindest in einer Hinsicht sind sich Kommentatoren (fast) einig: Ein "Provokateur" versuche die Grenzen des Sagbaren auszuweiten. Die Pressestimmen.

Ein Interview des ZDF mit dem AfD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen, Björn Höcke, ist mit einem Eklat geendet. Höcke hatte ein Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender abgebrochen, in dem es zunächst um die Sprache des Politikers vom rechtsnationalen "Flügel" und um NS-Begriffe ging, und von "massiven Konsequenzen" gesprochen (lesen Sie hier mehr über die Hintergründe). ZDF-Chefredakteur Peter Frey hatte das vorzeitig beendete Interview verteidigt (der stern berichtete). Zugleich forderte der Journalist eine klare Positionierung der Partei zu dem Vorgang um ihren Thüringer Landeschef.

"Erneut wurde deutlich: Höcke ist ein Provokateur, der bewusst Begriffe der NS-Rhetorik verwendet", kommentiert etwa die "Neue Osnabrücker Zeitung". Doch: "Auch der ZDF-Journalist hat Fehler gemacht." Auch der "Focus" meint, dass der öffentlich-rechtliche Sender keine "journalistische Glanztat" abgeliefert habe. Für die "Süddeutsche Zeitung" sei "der Fokus auf das wirklich Interessante" verrutscht: auf die Fragen, die der AfD-Politiker beantwortet und sich damit "selbst entlarvt" habe. Die Pressestimmen.

So kommentieren die Medien den Eklat um Höcke

"Süddeutsche Zeitung" (München): "Es ist ein altes Muster: Wenn AfD-Politiker Grenzen überschreiten, droht durch die oftmals präzise kalkulierte Empörung der Fokus auf das wirklich Interessante zu verrutschen. In dem Fall: auf die 13 Minuten, in denen sich der ehemalige Geschichtslehrer Höcke auf Fragen dazu, warum er sich so heftig am Vokabular des Naziregimes bediene, selbst entlarvt. Als einer, der NS-Terminologie ausweiten will, indem er sprachliche Eingrenzung beklagt. Der freimütig von 'Entartung' sprechen möchte, und vom 'Lebensraum'. Der 'Feindzeugen' in der eigenen Partei identifiziert. Einer, der gezielt mit provokanter Rhetorik, nicht mit Inhalten punkten will. Einer, der dann zu alldem lieber 'schöne Sachfragen' gestellt bekommen will, und den Journalisten offenbar als Jukebox versteht."

"General-Anzeiger" (Bonn): "Der Abbruch des ZDF-Interviews mit Thüringens starkem AfD-Mann Björn Höcke hat uns eine neue aufgeregte Debatte beschert. Und wieder funktioniert sie nach den verlässlichen Mechanismen, nach denen jenseits aller Empörungswelle am Ende die AfD ihre Sympathisanten mobilisiert bekommt. Sechs Wochen vor den Landtagswahlen in Thüringen kann sich Höcke freuen. Denn der Vorwurf, Höcke habe der freien Presse 'gedroht', steht auf dünnem Eis. (...) Er hat lediglich in den Raum gestellt, eine 'interessante' Person werden zu können und dann dem Journalisten kein Interview mehr geben zu wollen. (...) Dass er das typische NS-Wort 'entartet' für einen ganz harmlosen Begriff hält, der in der Biologie vorkomme, beleuchtet seine Strategie. Über eine Einengung des Sprachkorridors klagend, versucht er in Wirklichkeit, die Sagbarkeit von NS-Terminologie auszuweiten."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Aber spannend ist doch herauszubekommen, wes Geistes Kind Höcke ist. Dazu taugt die ausführliche Befragung von AfD-Mitgliedern, ob ein bestimmtes Zitat aus Hitlers 'Mein Kampf' oder von Höcke stammt, allerdings weniger. Der Output ist hier auch recht unergiebig. Interessanter ist tatsächlich das von ihm verwendete Vokabular – und vor allem, was er denn damit genau meint. (...) Fragen gäbe es viele an Höcke. Völlig unklar, warum sein Pressesprecher den Abbruch des Interviews herbeiführte. Das macht aber Höcke noch nicht zum Faschisten."

"Focus" (Berlin): Eine journalistische Glanztat hat das ZDF hier gewiss nicht abgeliefert. Die Anstalt hat sich sogar angreifbar gemacht. Weshalb? Ein Politiker, der von 'Berlin direkt' interviewt werden soll, konnte bisher mit einem soliden, meist fairen Gesprächsverlauf rechnen. Und zwar, weil "Berlin direkt" ein Nachrichtenformat ist. Jedenfalls ist es nicht die 'Heute Show'. Ein Politiker, der sich der "Heute Show" ausliefert oder ihr ausgeliefert wird, wird zum Opfer. Ein Stilmittel dieses Satireformats ist die Provokation. Am Anfang des 'Berlin direkt'-Interviews wurden AfD-Politiker mit Höcke-Zitaten konfrontiert und dann vor laufender Kamera gefragt, ob diese von Höcke stammten oder von Adolf Hitler. Zeit, darüber nachzudenken, hatten sie augenscheinlich nicht. (...) Es ging also dem ZDF gar nicht um die Ermittlung irgendeiner Nachricht, sondern um die Bestätigung der vorgefassten These: Höcke = Hitler."

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Wenn die AfD-Vertreter wirklich wie souveräne Politiker agieren wollten, hätten sie sich bedingungslos den Medienfragen gestellt. Doch das hätte auch bedeutet, einer breiten Öffentlichkeit erneut preiszugeben, dass das Alleinstellungsmerkmal der AfD die programmatische Dürftigkeit ist. Und auf ihren Markenkern - Ressentiments - möchten ihre Vertreter nicht angesprochen werden. Angesichts dessen wirken Höckes Gesprächsabbruch und Gaulands Herumlavieren irgendwie folgerichtig als das, was sie eigentlich sind: die Unfähigkeit, Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit zu geben."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Erneut wurde deutlich: Höcke ist ein Provokateur, der bewusst Begriffe der NS-Rhetorik verwendet. Neu war die offene Drohung, die der AfD-Rechtsaußen in Richtung seines Interviewpartners formulierte. Man darf diese als Einschränkung der Pressefreiheit verstehen: Wer keine ihm genehmen Fragen stellt, bekommt keine Interviews mehr. Bleibt die Frage nach der Rolle des Interviewers. Auch der ZDF-Journalist hat Fehler gemacht. Die offene Konfrontation von Beginn an hat ein Gespräch, in dem man die verantwortungslose Rhetorik des AfD-Mannes argumentativ hätte offenlegen können, kaum möglich gemacht. Stattdessen hat Höcke die Gelegenheit genutzt, um sich als Opfer vermeintlich stigmatisierender Berichterstattung zu inszenieren. Höcke wird dieser 'Eklat' also ganz recht sein. Das ist leider der vorrangigste Eindruck, der von diesem Interview bleibt."

fs AFP

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