Agenda 2010 Keine Abstriche an Reformagenda

Arbeitgeber und Grüne haben den Bundeskanzler aufgefordert, keine Abstriche an der Reform-Agenda zuzulassen. Sigmar Gabriel fordert Vermögensteuer und Kindergeld-Stopp für Reiche.

Im Reformstreit der SPD haben Arbeitgeber und Grüne den SPD-Vorsitzenden, Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgefordert, keine größeren Abstriche an der Reform-Agenda 2010 zuzulassen. Schröder selbst hatte Donnerstagabend in Hannover gesagt: "Jeder, der aus der eigenen Partei dagegen opponiert, muss wissen, dass er mit dem Feuer spielt, weil er mit der Regierungsfähigkeit der SPD spielt."

Woche der Entscheidungen

An diesem Montag wird sich der SPD-Parteivorstand ausführlich mit den Reformplänen zu Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen und Rente befassen. Gleichzeitig will Schröder in Bonn auf der ersten von vier Regionalkonferenzen vor dem Sonderparteitag am 1. Juni bei der Basis um Unterstützung für sein Konzept werben. Der Grünen-Bundesvorstand berät an diesem Samstag mit Spitzenpolitikern der Partei aus den Bundesländern über die Reformpläne.

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sprach von einer Woche "wichtiger Entscheidungen". Gleichzeitig wies er Kritik des Juso-Chefs Niels Annen an Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zurück. Annen hatte Clement den Rücktritt nahe gelegt. Steg nannte dies "absurd". Scharfe Kritik an den Reformplänen übte erneut der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske.

Hundt verlangt mutige Reformen

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte eindringlich vor Verzögerungen bei den anstehenden Sozialreformen und stellte sich hinter Schröder. "Mutige Reformen sind notwendiger denn je. Es ist jetzt nicht die Zeit für Mitgliederbefragungen und Parteitage", sagte Hundt am Freitag in Berlin. Die Reformagenda dürfe in SPD und Koalition nicht "zerredet" werden. Verzögerungen würden sich äußerst kontraproduktiv auf die wirtschaftliche Lage auswirken. Die geplanten Neuregelungen seien zwar bei weitem nicht ausreichend. Sie gingen aber zumindest in die richtige Richtung. Der Kanzler müsse mit seiner Richtlinienkompetenz dafür sorgen, dass es keine Abstriche an dem Reformpaket geben werde.

Grüne betonen die Handlungsfähigkeit

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Krista Sager, hielt den Kritikern in der SPD eine "Verkennung der Situation" vor. Wenn Schröder die Strukturreformen nicht würde durchsetzen können, "dann stellt das die Handlungsfähigkeit einer Regierung in einer sehr schwierigen Zeit in Frage", sagte sie auf Radio Eins (ORB/SFB).

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Scholz: klare Entscheidung für die Reformagenda

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte im Deutschlandfunk, vom Sonderparteitag am 1. Juni müsse eine klare Entscheidung für die Reformagenda ausgehen. Er bestritt Fehler in seiner Vermittlung der Reformpläne innerhalb der Partei. Schröder hatte sich am Vorabend bei einem Treffen mit Scholz, Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Franz Müntefering ausdrücklich zu seinem Generalsekretär bekannt.

Gabriel will Vermögensteuer und Kindergeld-Stopp für Reiche

Im Streit um den Reformkurs der SPD hat der niedersächsische SPD-Fraktionschef und designierte Landes-Parteichef Sigmar Gabriel gefordert, Vermögenden das Kindergeld zu streichen. Er schloss sich zudem der Forderung der SPD-Linken nach einer Wiedereinführung der Vermögensteuer an.

In einem von Gabriel miterarbeiteten Antrag des SPD-Bezirks Braunschweig für den SPD-Sonderparteitag, der Reuters am Freitag vorlag, heißt es, Kindergeld und andere Leistungen sollten nicht mehr an Besserverdienende gezahlt werden. Zudem sollten die gesellschaftlichen Eliten durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer an der Finanzierung des Sozialstaats beteiligt werden. Transferleistungen der Sozialkassen nach Ostdeutschland müssten künftig durch staatliche Mittel aus Steuereinnahmen ersetzt werden. "Die dabei notwendige Erhöhung von Verbrauchssteuern muss allerdings an weitere Senkungen der Lohn- und Einkommenssteuern gebunden sein." Erneut bringt Gabriel ein Vorziehen der Steuerreform ins Gespräch.

Die Parlamentarische Linke

Vor Scholz stellten sich auch die stellvertretenden Fraktionschefs Gernot Erler und Michael Müller, die zur "Parlamentarischen Linken" in der Fraktion gehören. Müller sah im Deutschlandradio Berlin noch "Bewegungsspielraum" bei Einzelpunkten der Reformpläne. Erler sagte im WDR, die große Mehrheit der Parteilinken wolle an den "Grundlinien der Agenda 2010" festhalten und liege "insofern nicht im Dissens mit dem Kanzler. Es sei "eher eine kleine Gruppe, der grundsätzlich die ganze Richtung nicht passt. Aber das ist nicht die Meinung der Mehrheit."

Umfrage: Nur Minderheit erwartet Aufschwung

Nach einer Emnid-Umfrage erwarten 53 Prozent der Bundesbürger, dass Schröder mit seinen Reformplänen scheitern wird. 44 Prozent rechneten in der Umfrage für den Fernsehsender n-tv mit Erfolg für Schröder. Sollten die Pläne dennoch umgesetzt werden, erwarten nur 17 Prozent davon einen wirtschaftlichen Aufschwung.