ANTISEMITISMUS-DEBATTE FDP vor der Zerreißprobe

Die FDP gerät wegen der Antisemitismus-Debatte um Parteivize Möllemann zunehmend unter Druck. Heute befasst sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit der Kontroverse.

Die FDP steuert im Konflikt um ihren Partei-Vize Jürgen Möllemann auf eine Zerreißprobe zu. Die FDP-Bundestagsfraktion stärkte dem Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle am Dienstag demonstrativ den Rücken. Fraktionschef Wolfgang Gerhardt drohte Möllemann wegen dessen Weigerung, im Streit mit dem Zentralrat der Juden einzulenken, mit dem Entzug der »Solidarität der Partei«. Möllemann selbst lehnte eine Entschuldigung für seine umstrittenen Äußerungen im Antisemitismus-Streit erneut ab. Westerwelle trat indes dem Eindruck eines Machtkampfes mit Möllemann entgegen.

Möllemann: »Was zu sagen war, ist gesagt worden«

Möllemann sagte am Dienstag am Rande einer FDP-Veranstaltung in Lübeck: »Was zu sagen war, ist gesagt worden, was zu tun war, ist getan worden.« Möllemann hatte dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Michel Friedman, vorgeworfen, durch sein Auftreten selbst den Antisemitismus zu schüren.

Aktuelle Stunde im Bundestag

Der Bundestag wird sich heute (Mittwoch) in einer Aktuellen Stunde mit der Kontroverse befassen. Die Jüdische Gemeinde Berlin hat außerdem eine Demonstration vor der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte angekündigt.

Westerwelle: Autorität eingebüßt?

Gerhardt sagte der Zeitung »Die Welt« (Mittwoch), Möllemann müsse wissen, »dass er die FDP in eine schädliche Debatte getrieben hat, die unsere Chancen bei der Wahl schmälert. Wenn er das nicht einsieht, riskiert er die Solidarität der Partei«. Die FDP werde sich von Möllemann »nicht die Richtung vorgeben« lassen. Präsidiums-Mitglied Klaus Kinkel sagte nach der Fraktionssitzung in Berlin, Westerwelle werde »aus der Fraktion, vom Bundesvorstand und im Präsidium massiv gestützt«. Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum sagte am Abend in der ARD: »Herr Westerwelle hat an Autorität eingebüßt.« Die Partei müsse ihm nun helfen, diese zurückzugewinnen.

Der Vorstand der nordrhein-westfälischen FDP hatte am Montagabend mit großer Mehrheit gegen den Willen Westerwelles beschlossen, den vom Landeschef Möllemann unterstützten Jamal Karsli weiter für die Fraktion arbeiten zu lassen, solange er seine antisemitischen Äußerungen nicht wiederholt. Westerwelle räumte ein, er habe sich im Streit um den ehemaligen Grünen-Landtagsabgeordneten Karsli gegen Möllemann »nicht in allen Punkten durchsetzen« können. Dies sei aber in einer Demokratie üblich. Zwischen ihm und Möllemann gebe es Meinungsunterschiede, das Grundverhältnis sei aber unbelastet, sagte Westerwelle am Dienstagabend in der ZDF-Sendung »Eser und Gäste«.

Paul Spiegel: »Entstetzt über Möllemann«

Der Präsident des Zentralrates, Paul Spiegel, sagte in derselben Sendung, er fürchte, es werde lange Zeit kein Gespräch mit der FDP geben, weil Möllemann nicht zu einer Entschuldigung bereit sei. Er schätze Westerwelle als aufrechten Demokraten und wolle die FDP nicht in die antisemitische Ecke drängen, sagte Spiegel. »Ich bin aber entsetzt über die sture Haltung von Möllemann.«

Kritik aus der FDP

Auch aus der eigenen Partei setzte sich die Welle der Kritik an Möllemann fort. Die Vize-Chefin der Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, warf ihm vor, die FDP zu einer »diffusen Sammelbewegung« machen zu wollen und »rechtspopulistische Signale auszusenden«. Dieser Kurs sei nicht Strategie der Partei, sagte die frühere Justizministerin den »Kieler Nachrichten«. Der Alt-Liberale Burkhard Hirsch kündigte an, sich in Nordrhein-Westfalen nicht mehr am FDP-Wahlkampf zu beteiligen.

Evangelische Kirche: »Streit beilegen«

Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, appellierte an die Freidemokraten und den Zentralrat der Juden, ihren Streit beizulegen. »Ein Dauerkampf ist für keine der beiden Seiten hilfreich«, sagte er der Chemnitzer »Freien Presse«.