Eines muss man der Union an diesem Wahlabend lassen: Sie hat sich vorbereitet auf dieses denkbar knappe Ergebnis, auf den Absturz – und sich einen griffigen Begriff zurechtgelegt: "Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert", sagt Spitzenkandidat Armin Laschet beim ersten Auftritt vor seinen Anhängern im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in Berlin, eine Koalition "für Weltoffenheit und marktwirtschaftliche Lösungen".
Paul Ziemiak geht zuerst in die Offensive
Zuvor hatte schon sein Generalsekretär Paul Ziemiak in diversen TV-Schalten kurz nach 18 Uhr immer wieder davon gesprochen, seine Partei setze alles daran, nun ein "Zukunftsbündnis" oder eine "Zukunftskoalition" zu bilden. Der Begriff fiel nach 18 Uhr im Minutentakt, von Kamera zu Kamera, gekoppelt an andere Begriffe wie "Klimaschutz, Sicherheit, Innovation" oder "Modernität" und "Stabilität". Es war ein kluger Schachzug für diese absehbar unsicheren Stunden nach Schließung der Wahllokale.
Ankreuzen, falten, einwerfen: schöne und skurrile Bilder aus den Wahllokalen

Zwar meinen Laschet und Ziemiak mit ihrem Zukunftsbündnis nichts anderes als die altbekannte Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen – dieses Bündnis dürfte aber, nicht zuletzt nach dem frühen Scheitern in den Sondierungsgesprächen 2017, bei allen Beteiligten deutlich an Überzeugungs- und Anziehungskraft verloren haben.
Die Wortschöpfung als rhetorischer Coup von Armin Laschet
Und so ist die neue Wortschöpfung an diesem Abend vor allem eines: Ein smarter rhetorischer Coup, dem klaren Wahlverlierer Laschet trotz des schlechtesten Wahlergebnisses für CDU/CSU bei einer Bundestagswahl seit 1949 doch noch die Option auf eine Regierung unter seiner Führung zu eröffnen – insbesondere solange die Hochrechnungen Union und SPD so dicht beieinander sehen. Und solange die Reihen der Union geschlossen bleiben. Und sollte sich die Union am Ende sogar noch knapp vor die SPD schieben, gälte sein Regierungsanspruch mit der "Zukunftskoalition" natürlich umso mehr.
Dass der Begriff vor allem in den eigenen Reihen von CDU und CSU seine Wirkung tut, lässt sich auch an den ersten Reaktionen aus der Schwesterpartei in Bayern erkennen. Anders als in den Tagen zuvor verzichten Parteichef Markus Söder und sein Generalsekretär an diesem Abend auf die frühere Position, nur der Erstplatzierte könne bei einer Bundestagswahl Anspruch auf das Kanzleramt anmelden. Man hat sich also zusammengerauft, fürs Erste zumindest.
Sehen Sie im Video: "Können mit Ergebnis nicht zufrieden sein" – Laschet zeigt sich enttäuscht in CDU-Parteizentrale.

Was daraus dann in den kommenden Wochen wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Wahrscheinlich würden zum Beispiel auch SPD und Grüne für sich in Anspruch nehmen, eine Zukunftskoalition bilden zu wollen, ebenfalls gemeinsam mit der FDP. Doch für den Moment liegt der Begriff bei der Union – und das an diesem Abend schon ziemlich viel für einen Wahlverlierer.