Berlin³: SPD-Kanzlerkandidatenkür Macht er's? Macht er's nicht? Macht er's ...

Kaum ein Frage beschäftigt einen Großteil der Medien so sehr wie die nach dem SPD-Kanzlerkandidaten. Was erstaunlich ist bei einer Partei, die derzeit auf maximal 22 Prozent kommt. Immerhin das ist Sigmar Gabriels Verdienst.

Manchmal können wir an dieser Stelle auch echte Neuigkeiten an den User bringen. Also, festhalten bitte: Heute Abend trifft sich die sogenannte Führung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Düsseldorf, und wenn nicht alle Spatzen ein falsches Lied von den verschneiten Dächern pfeifen, steht danach fest, wer im Herbst den Kampf gegen Angela Merkel ums Kanzleramt aufnehmen wird – Thorsten Schäfer-Gümbel (Thorsten mit "th", haben wir gerade sicherheitshalber noch mal gegoogelt). Der Mann hat alles, was man für den Job so braucht. Keinen Bart. Vergleichsweise schlanke Erscheinung. Schon mal einen Wahlkampf ehrenvoll verloren. Dabei sogar die 30-Prozent-Marke geknackt. Langjährige Erfahrung in der Opposition. Und einen weitgehend unbescholtenen Ruf, den TSG vor allem der Tatsache verdankt, dass er seine Existenz als stellvertretender Parteivorsitzender über die Jahre relativ geheim halten konnte…

Ja, ja, ist gut, wir hören schon auf damit, man soll schließlich mit dem Entsetzlichen nicht übermäßig Schabernack treiben. Also: Herzschlag wieder auf Normaltempo runterfahren. War alles nur ein schlechter Scherz. Der in Ehren ergrauten, dabei aber keineswegs vollvernünftig gewordenen SPD ist inzwischen zwar allerhand zuzutrauen. Einen hesselnden Spitzenkandidaten mit Doppelnamen dann aber doch nicht. Andererseits: Hätte es vor sagen wir drei Jahren nicht für prächtige Heiterkeit gesorgt, wäre jemand mit der Vorhersage um die Ecke gebogen, 2017 würde als SPD-Kanzlerkandidat ernsthaft Martin Schulz gehandelt (Schulz ohne "tz"; hätte man damals sicherheitshalber noch mal gegoogelt)? Wer ehrlich ist, muss zugeben: hätte es. Das gleiche gilt übrigens auch für Olaf Scholz (den Quatsch mit der Klammer schenken wir uns jetzt mal).

Die SPD und drei wichtige Erkenntnisse

So, und nun zum etwas weniger postfaktischen Teil der Veranstaltung und zu drei Erkenntnissen, die man angesichts der derzeitigen – wenn man das so nennen will – Nachrichtenlage mal etwas genauer beleuchten sollte.

Da wäre, erstens: Wir schreiben den 10. Januar, die engere SPD-Spitze tagt einigermaßen klandestin in einem Düsseldorfer Hotel, redet dabei über das Wahljahr und den anstehenden Wahlkampf, dabei aber angeblich nicht darüber, wer diesen denn als Kandidat führen soll. Wie unser alter Freund Donald Duck an dieser Stelle anmerken würde: Hüstel! Aber der beschlossene Zeitplan gilt angeblich, wonach die KKK, die Kanzlerkandidatenkür, erst am 29. Januar erfolgt. Dass sie diesen Zeitplan nach den sturzgeburtartigen KKKs der vergangenen Jahre quasi um des Zeitplans Willen bislang eingehalten haben, feiern sie in der SPD bereits als Erfolg. Die Partei, die gerne groß von sich dachte, ist einigermaßen bescheiden geworden. Man kann die Freude der Sozialdemokraten über ihr Durch- und Dichthalten zwar verstehen; der öffentliche Druck, endlich mit dem Kandidaten rauszurücken, war schließlich enorm in den vergangenen Monaten. Man kann aber auch verstehen, warum der PR-Profi Frank Stauss, der den SPD-Wahlkampf designen sollte, es bevorzugte, lieber nicht zu wollen. Eine Kampagne ohne Kandidaten zu entwerfen… Hüstel.

Und damit zu zweitens: zu dem Mann, der es wird. Oder schon ist, auch wenn über ihn in den Düsseldorfer Hotelhinterzimmern nicht geredet werden soll. Jedenfalls wenn es nach den Dachhockern bei "Spiegel", "Bild" und auf anderen Verlagshäusern geht, die nun jenen Sigmar Gabriel plötzlich als sicheren Kandidaten auspfeifen, dessen Defizite sie in den vergangenen Monate so präzise zu beschreiben wussten: zu wenig Schulz, zu wenig Scholz, zu sprunghaft, zu unbeliebt bei Genossen und Wählern, mit dem unkorrigierbaren Image eines albanischen Gebrauchtwaffenhändlers geschlagen und deshalb von vornherein chancenlos gegen La Merkel. Was, bitte, hat sich daran zwischen Weihnachten und Neujahr geändert? Oder, verwegener Gedanke, war das vielleicht alles doch nicht ganz so richtig? Jetzt wird es jedenfalls, bis auf weiteres: Sigmar Gabriel.

Was uns zu drittens und – ja, endlich – zum Schluss leitet: dem größten Erfolg des SPD-Vorsitzenden. Worin er besteht? Ganz einfach: Dass eine Partei, die in Umfragen derzeit auf maximal 22 Prozent kommt und nicht einmal rechnerisch zusammen mit Grünen, Linken und FDP eine Mehrheit im nächsten Bundestag bilden könnte, dass eine solche Partei noch immer einen großen Teil der Medien mit der Frage beschäftigen kann, wer ihr Kanzlerkandidat wird. Ja, es sind schnelllebige Zeiten, vielleicht fallen dieses Jahr Ostern, Weihnachten, Fukushima, Seehofer und eine zweite Flüchtlingswelle zusammen und die SPD überholt die Union am Wahltag. SPD-Kanzlerkandidat? Auch wenn es eher zum Heulen ist – normalerweise müsste sich mindestens die halbe Republik vor Lachen auf dem Boden wälzen. Wir warten deshalb gelassen den heutigen Abend wie den 29. Januar ab und zitieren unseren alten Freund Jolly Jumper: Wieher!