Ein Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak-Krieg und der Rolle der Geheimdienste im Anti-Terrorkampf ist wahrscheinlicher geworden. FDP- Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Koppelin kündigte am Wochenende die Zustimmung seiner Fraktion zu einem solchen Ausschuss an. Offiziell will die FDP erst nach einer Sitzung des Bundestags-Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKG) am Montag entscheiden. Die Grünen signalisierten am Sonntag die Bereitschaft, auch über die politische Verantwortung der rot-grünen Regierung zu diskutieren. Für die Einrichtung eines Ausschusses sind die Stimmen aller drei Oppositionsparteien nötig.
Das PKG kommt am Montag auf Antrag der FDP in Berlin zu einer Sondersitzung zusammen. Im Mittelpunkt stehen Berichte der "New York Times", wonach der Auslandsgeheimdienst BND wenige Wochen vor Beginn des Irak-Krieges im März 2003 den Verteidigungsplan von Bagdad an den US-Geheimdienst weitergeben haben soll. Regierung und BND weisen die Darstellung als falsch zurück. Bei der geheimen Sitzung soll nach Informationen des "Tagesspiegels" auch der während des Irak-Krieges im US-Hauptquartier in Katar stationierte deutsche BND-Verbindungsoffizier (Deckname: "Gardist") gehört werden.
FDP entscheidet Montag
Die FDP will nach der PKG-Sitzung bei einer Fraktionsklausur in Magdeburg entscheiden, ob sie einem Untersuchungsausschuss zustimmt. "Das wird mit Sicherheit so sein, denn die Fakten haben sich nicht geändert, sondern es sind im Gegenteil noch mehr Fragen dazugekommen", sagte Koppelin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Sowohl Parteichef Guido Westerwelle als auch Fraktionschef Wolfgang Gerhardt seien für den Ausschuss. Gerhardt wollte sich am Wochenende nicht äußern. "Wir bleiben bei unserem Zeitplan", hieß es lediglich in FDP-Kreisen. Koppelin meinte, es sei "eine Formsache", dass die FDP-Fraktion noch einmal über die Einsetzung des Ausschusses diskutiere.
Selbst wenn FDP, Grüne und Linkspartei für einen solchen Ausschuss stimmen, müssen sie sich noch über einen Untersuchungsauftrag verständigen. Inhaltlich dürfte es neben den jüngsten Berichten über die BND-Aktivitäten in Bagdad auch um die CIA-Gefangenenflüge sowie die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri (Ende 2003) und die Verschleppung des Deutsch-Syrers Mohammed Haidar Sammar durch US-Sicherheitskräfte (Ende 2001) gehen.
Grüne stellen sich der Verantwortung
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele signalisierte, die Grünen würden sich in einem Untersuchungsausschuss einer Diskussion über eine etwaige politische Verantwortung der damaligen rot-grünen Regierung nicht verweigern. Es gehe zwar zuerst darum, die Faktengrundlage zu vervollständigen. "Wenn dann aber Fehler festgestellt werden, muss auch festgestellt werden, wo die Verantwortlichkeiten dafür liegen", sagte der dpa.
Nach Worten des FDP-Innenexperten Max Stadler lässt sich die Faktenlage nicht von der politischen Verantwortung trennen. Aus den Reihen der Grünen seien teils widersprüchliche Aussagen zu hören, nach dem Motto: Die Bundesregierung habe klare Anweisungen gegeben und man solle nun lediglich prüfen, ob und warum sich die einzelnen BND-Mitarbeiter nicht an die Vorgaben gehalten hätten. Die Vorstellungen der FDP gingen aber weiter, sagte Stadler der dpa: "Auch die Überwachung dieses Auftrages und die politische Verantwortung müssen diskutiert werden."
Für den FDP-Politiker würden auch Vernehmungen Terror-Verdächtiger im Ausland durch deutsche Beamte zum Gegenstand von Untersuchungen gehören. Nach einem "Spiegel"-Bericht räumte die US-Regierung bereits Mitte 2002 gegenüber der Bundesregierung die Entführung Sammars ein, bat aber zugleich um strikte Geheimhaltung. Deutsche Beamte vernahmen den Islamisten im November 2002 in Damaskus. Dabei berichtete der Inhaftierte auch von Misshandlungen.