Dass der griechische Wirtschaftsminister der deutschen Kanzlerin auf dem normalen Postweg ein Päckchen schickt, dürfte ungewöhnlich sein. Dass Giorgos Papakonstantinou aber Angela Merkel gerade dann ein Paket zukommen lässt, wenn Briefbombenterror in Athen gemeldet wird und auch schon Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine griechische Bombe erhalten sollte, ließ die Kontrolleure nicht an einen Zufall glauben. Sie schlugen Alarm. Die Bundeskanzlerin bedankte sich schließlich bei ihren Beamten.
Der Absender war falsch und die Fracht im doppelten Sinne explosiv. Nach ersten Untersuchungen teilte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Abend in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit, es handele sich um eine sprengfähige Vorrichtung gleicher Bauart wie bei einer Sendung an die Schweizer Botschaft in Athen. Das Paket sei in Griechenland in die Luftpost gegeben worden.
"Verschwörung der Zellen vom Feuer"
Die mutmaßlichen Täter seien dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen, das in Griechenland Terroranschläge verübe. Genannt wurde die Gruppierung "Verschwörung der Zellen vom Feuer", die seit 2008 in Griechenland zahlreiche Sprengstoffanschläge verübt - bisher allerdings nicht im Ausland. Für einen Zusammenhang mit dem Jemen, über den in den vergangenen Tagen gefährliche Fracht nach Europa gelangt war, spreche nichts.
Wie gefährlich der Sprengstoff wirklich war, war am Abend noch nicht endgültig ermittelt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte aber: "Die Untersuchung zeigt, dass der Inhalt des Päckchens zumindest geeignet war, Menschen zu verletzen." Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou verurteilte am Abend die Entsendung des Pakets an die Kanzlerin sowie die Bombenserie in Botschaften in Athen. "Wir verurteilen es aufs Schärfste und widersetzen uns unerbittlich jedem, der mit Terroraktionen und Gewalt versucht, den sozialen Frieden und dem Bild des Landes im Ausland zu schaden", sagte Papandreou am Abend in einer Rede. Die griechischen Sicherheitsbehörden würden systematisch arbeiten, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, versicherte er.
Reaktion auf Merkels harte Gangart?
Merkel hatte sich im Frühjahr strikt gegen eine schnelle Hilfe der Euro-Staaten für das vom Bankrott bedrohte Griechenland gewehrt. Athen solle mit drastischen Sparmaßnahmen in Vorleistung treten, hatte sie gefordert. Die griechische Regierung beschloss für die Bevölkerung schmerzhafte Einschnitte, die Bürger gingen auf die Straße. Die Fast-Pleite Griechenlands bedrohte die Eurozone in ihrer Existenz.
Erst am vergangenen Freitag beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Gipfel in Brüssel als Folge aus dem Griechenland-Trauma: Wer über seine Verhältnisse lebt und Schuldenberge anhäuft, muss in der Eurozone mit härteren Strafen rechnen. Merkel und Sarkozy hatten den Weg dafür geebnet.
Kanzleramt um Normalität bemüht
Im Kanzleramt herrschte am Dienstag zwar Aufregung - schließlich ist eine solche Alarmmeldung selten. Aber es wurde kein Krisenstab gebildet, und es wurden auch keine Mitarbeiter vorsorglich nach Hause geschickt. Alles sei nach Plan gelaufen, hieß es - von der Routinekontrolle im Postüberprüfungsraum außerhalb des Zentralgebäudes des Kanzleramtes über die Schließung der Poststelle durch das Bundeskriminalamt bis zu den Mitteilungen der Regierung.
Das Kanzleramt war - zumindest nach außen sichtbar - auch nicht stärker abgeschirmt als sonst. Lediglich zwei Polizisten patrouillierten an diesem trüben Novembertag vor dem Zaun der Regierungszentrale. "Wir dürfen absolut nichts sagen", wehrten sie alle Fragen ab. Zahlreichen Journalisten und Kamerateams hatten sich wie sonst bei Sitzungen des Koalitionsausschusses vor dem Kanzleramt eingefunden.

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Passanten zeigen sich betroffen
Passanten, die von der Nachricht erfuhren, zeigten sich erschrocken. "Sonst ist das ganz weit weg. Man hört von der Gefahr des Bombenterrors nur aus den Nachrichten", sagte ein Mann aus Rheinland-Pfalz. "Das ist schon ein merkwürdiges Gefühl im Bauch", meinte der 23-Jährige. Seine Freundin sagte: "Das ist schon erschreckend. Man fragt sich schon, wie so etwas überhaupt zum Kanzleramt durchkommen kann."
Die Kanzlerin selbst war zu keiner Zeit in Gefahr. Als das Sprengstoffpaket eintraf, befand sie sich in Belgien - und verteidigte dort das deutsch-französische Drängen auf eine Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes und Strafen für hartnäckige Defizitsünder. Merkels Position: Wenn der Euro scheitert, dann scheitert auch Europa.