Bundeswehr-Skandal Jung reicht seinen Rücktritt ein

Alles Lavieren hat ihn nicht gerettet: Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung tritt in Folge der Pannen nach dem Luftangriff in Afghanistan zurück. Die Namen möglicher Nachfolger kursieren bereits.

Genau 30 Tage nach seiner Vereidigung hat Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) seinen Rücktritt angekündigt. Der Ex-Verteidigungsminister zog damit die Konsequenzen aus der Serie von Informationspannen in seinem früheren Ministerium bei der Aufklärung des von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriffs in Afghanistan Anfang September.

Jung sagte in einer nicht einmal zwei Minuten langen Erklärung zu seinem Rücktritt in Berlin: "Nach reiflicher Überlegung und Handeln nach dem Grundsatz, dass man wichtige Entscheidungen erst eine Nacht überschläft, habe ich heute morgen die Bundeskanzlerin davon unterrichtet, dass ich mein Amt des Bundesministers für Arbeit und Soziales zur Verfügung stelle". Er übernehme damit "die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber den Ministern bezüglich der Ereignisse vom 4. September in Kundus".

Durch seinen Rücktritt wolle er "einen Beitrag dazu leisten, dass die Bundesregierung ihre erfolgreiche Arbeit uneingeschränkt fortsetzen kann und Schaden von der Bundeswehr abgewendet wird", sagte Jung. Für die weitere Aufklärung der Vorfälle stehe er selbstverständlich zur Verfügung.

Jung will stets "korrekt unterrichtet" haben

Der scheidende Arbeitsminister wiederholte zudem, was er bereits am Donnerstag in einer Verteidigungsrede im Bundestag behauptet hatte: Dass er sowohl die Öffentlichkeit als auch das Parlament über seinen Kenntnisstand "korrekt unterrichtet" habe.

Die Opposition hatte Jungs Rücktritt nach Äußerungen seines Nachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg immer lauter gefordert. Guttenberg hatte erklärt, ihm seien insgesamt neun Einschätzungen zu der Bombardierung in Afghanistan vorenthalten worden.

Bereits am frühen Freitagmorgen war der Druck auf Jung durch einen weiteren Bericht der "Bild"-Zeitung nochmals gestiegen. Das Blatt berichtete, Jung habe bei seiner Verteidigungsrede am Donnerstag aus einer Meldung zitiert, die auf dem selben Weg nach Deutschland gelangt sei wie der Rest der Meldungen, die auf zivile Opfer und mangelnde Aufklärung vor der Bombardierung hinwiesen. Die Zeitung fragt nun: "Kann es wirklich sein, dass nur diese eine Meldung Minister Jung erreichte - aber alle anderen (kritischen) Meldungen nicht...?"

Zivile Opfer nie öffentlich eingestanden

Bei dem angeordneten Bombardement waren am 4. September bis zu 142 Menschen bei Kundus getötet worden - darunter auch Zivilisten. Jung hatte zivile Opfer zunächst dementiert und auch in den Wochen danach niemals öffentlich eingestanden.

Im Zuge der Affäre hatten am Donnerstag bereits Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert ihren Hut nehmen müssen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Politiker als Nachfolger für Jung in Frage kommen

Merkel sucht bereits einen Nachfolger für Jung

Die Entscheidung über den Nachfolger des scheidenden Arbeitsministers soll nach Angaben aus Koalitionskreisen schnell fallen. Merkel führe bereits Gespräche. Möglicherweise entscheide sich die Personalie noch im Laufe des Freitags, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters. Im Gespräch sind angeblich mehrere Politiker der hessischen CDU, aus der auch Jung kommt. Ein Wechsel von Hessens Ministerpräsident Roland Koch in das Arbeitsministerium galt in der Union hingegen als unwahrscheinlich.

In Frage komme einer seiner beiden Kronprinzen, Hessens CDU-Fraktionschef Christean Wagner und Innenminister Volker Bouffier. Genannt wurde aber auch die hessische Umweltministerin Silke Lautenschläger, die offiziell allerdings schon dementiert hat, für das Amt zur Verfügung zu stehen. Chancen habe zudem der langjährige hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel, hieß es in den Kreisen.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zeigte sich betroffen über den Rücktritt Jungs. "Die Ereignisse der letzten 36 Stunden und insbesondere der Amtsverzicht meines Freundes Franz Josef Jung gehen mir auch persönlich sehr nahe", erklärte der hessische CDU-Chef. Jung, der als enger Vertrauter Kochs gilt, habe sich zu einem "außerordentlich respektablen Schritt" entschieden. Er hoffe, dass die Leistungen Jungs als Verteidigungsminister mit einigen Wochen Abstand wieder anerkannt würden.

Opposition besteht auf Untersuchungsausschuss

In jedem Fall dürften diese Leistungen noch einmal genau unter die Lupe genommen werden, denn auch nach dem Rückzieher Jungs möchte die Opposition unbedingt einen Untersuchungsausschuss einrichten. "Wir wollen, dass diese Vorgänge lückenlos aufgeklärt werden", erklärten die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin.

"Ein Untersuchungsausschuss hat sich damit natürlich nicht erledigt"", sagte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Der verteidigungspolitischer Sprecher der Linken, Paul Schäfer, erklärte: "Der Minister geht, der Aufklärungsbedarf bleibt."

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/AFP/Reuters