Debatte im Bundestag Impfpflicht oder nicht? Diese Gesetzesentwürfe bereiten die Parteien vor

Ein älterer weißer Mann mit Halbglatze fasst sich mit der rechten Hand an die Stirn. Er trägt eine schwarze FFP2-Maske und Anzug
Ob Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich wegen einer Corona-Impfpflicht im Bundestag durchsetzen kann, ist noch nicht abzusehen
© Kay Nietfeld / DPA
Corona-Impfpflicht ja oder nein? Diese Frage beschäftigt alle Parteien im Bundestag. Die SPD will einen Gesetzesentwurf vorlegen. Aber was planen die anderen Fraktionen? Aus einer Partei kommen wohl gleich drei Anträge.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Impfpflicht "bis Anfang Februar, Anfang März" anvisiert. Doch bislang ist wenig passiert. Nicht einmal seine eigene Partei hat einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Die Abgeordneten sollen darüber frei entscheiden, ohne sich an eine bestimmte Fraktionslinie halten zu müssen. Aus den Reihen der Koalition von SPD, Grünen und FDP gibt es bisher nur einen Antrag des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki von der FDP, in dem eine Impfpflicht abgelehnt wird. 

SPD

Die Sozialdemokraten wollen Ende Januar einen konkreten Vorschlag für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland machen. Unmittelbar nach der ersten "Orientierungsdebatte" im Bundestag, die in zwei Wochen stattfinden soll, würden Abgeordnete der SPD Eckpunkte für einen Gesetzentwurf vorlegen, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag in Berlin. Sie sollen dann Grundlage für einen Gruppenantrag zusammen mit Parlamentariern anderer Fraktionen sein. Bis zu einer Entscheidung im Bundestag sollte sich das Parlament danach nicht länger als zwei Monate Zeit lassen, meinte Mützenich: "Wir werden das im März abgeschlossen haben, ganz klar."

CDU/CSU

CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: "Unser Ziel ist es, einen eigenen Unionsantrag auf den Weg zu bringen. Daran arbeite ich mit anderen Gesundheits- und Rechtspolitikern unserer Fraktion." Weil der größte Teil der Covid-Intensivpatienten älter als 50 Jahre sei, könne man mit einer Impflicht für alle ab 50-Jährigen das Gesundheitssystem effektiv schützen und dennoch den Freiheitseingriff für die Gesellschaft so gering wie möglich halten.

Dem widersprach die Spitze der Unionsfraktion: Sie plane derzeit keinen eigenen Gesetzesvorschlag für eine Impfpflicht, den sie Im Bundestag vorlegen werden. Die Fraktion arbeite aktuell nicht an einem solchen Gesetzentwurf und auch nicht an einem Antrag für den Bundestag, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), am Dienstag in Berlin vor einer virtuellen Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU.

FDP

Nach dem Antragsentwurf von Bundestagsvizepräsident und stellvertretendem FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki soll der Bundestag bekräftigen, "dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine allgemeine Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 geben wird". Der Bundestag verbinde dies "mit dem Appell, dass sich weiter möglichst viele Menschen bestmöglich gegen Covid-19 schützen, indem sie die empfohlenen Angebote einer Coronaschutzimpfung wahrnehmen".

Die Bundesregierung wird in dem Antrag unter anderem gebeten, "die Anstrengungen unterhalb des Grundrechtseingriffs einer Impfpflicht oder sog. 2G-Maßnahmen zu intensivieren". Sie wird zudem gebeten, weitere niedrigschwellige Impfangebote aufrechtzuerhalten und zu intensivieren, etwa Impfaktionen bei Großveranstaltungen oder zu Kernzeiten vor Baumärkten und in Einkaufszentren.

In interner Beratung ist zudem ein weiterer Antrag, der eine weitgehende Impfpflicht für alle Erwachsenen vorsieht.

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Daneben plant eine Initiative um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann einen Antrag zu einer gestaffelten Impfpflicht. "In einem ersten Schritt könnte eine verpflichtende Impfaufklärung für alle stehen, möglichst durch Ärzte in den Impf- oder Testzentren", sagte Ullmann der "Welt" vom Dienstag. "Wenn wir danach sehen, dass die Impfquote nicht signifikant steigt, könnte ein nächster Schritt eine Impfpflicht beispielsweise für Menschen ab 50 Jahren sein."

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Denn diese erkrankten vergleichsweise häufiger schwer und müssten auf die Intensivstationen verlegt werden, sagte Ullmann. Dem Bericht zufolge sollen nun in den Bundestagsfraktionen zunächst Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen die Abgeordneten die verschiedenen Möglichkeiten für Gruppenanträge diskutieren. Am Ullmann-Entwurf arbeiteten derzeit die Liberalen, aber Gespräche dazu mit Abgeordneten anderer Fraktionen laufen. Ullmann rechnet damit, dass die Arbeitsgruppen Ende des Monats ihre Arbeit aufnehmen könnten.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Partei will offenbar keinen eigenen Antrag in Sachen Impfpflicht erarbeiten. Denn die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic hofft auf ein einheitliches Vorgehen der Fraktionen bei der angestrebten Impfpflicht. Dieses wichtige Thema eigne sich "in keiner Weise für irgendwelche inszenierten Auseinandersetzungen zur Profilbildung", sagte Mihalic der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag in Berlin. Daher sei es zu begrüßen, dass sich die CDU/CSU nun von Planungen aus ihren Reihen distanziert hat, eine eigene Fraktions-Initiative zur Impfpflicht auf den Weg zu bringen.

"Alle demokratischen Parteien sind irgendwo an einer Landesregierung beteiligt und die Ministerpräsidentenkonferenz hat einmütig den Bundestag aufgefordert, die Voraussetzungen für eine Impfpflicht zu schaffen." Diese würde am besten gelingen, "indem wir jenseits der Fraktionsgrenzen nach mehrheitsfähigen Lösungen in der Sache Ausschau halten und den entsprechenden Debattenton anschlagen".

AfD

Die AfD-Fraktion kündigte an, einen eigenen Antrag zur Ablehnung einer Impfpflicht in den Bundestag einzubringen. Die Bundesregierung setze in der Corona-Politik auf "Panikmache" und müsse die Pläne zur Impfpflicht "endgültig stoppen", sagte Fraktionschef Tino Chrupalla.

Die Linke

Der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch sagte zu einer Impfpflicht: "Also bisher finde ich das wenig überzeugend und – das ist jetzt meine ganz persönliche Sicht – ob wir denn eine Impfpflicht bekommen, wie es der Bundeskanzler angekündigt hat? Ich habe da weiterhin eine gewisse Skepsis." Er kenne die Positionen und wisse, dass es große Unterstützer einer Impfpflicht gibt, allgemein, in meiner Partei, in meiner Fraktion. Es gebe auch Gegner. "Das empfinde ich als normal. Das ist nicht zuerst eine parteipolitische Frage."

Auch bei der Linken sieht es also nicht nach einem einheitlichen Antrag aus – wenn sie überhaupt einen stellt.

mit Agenturen