Der Machtkampf um die Zukunft des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber steht offenbar vor der Entscheidung. Zahlreiche CSU-Landtagsabgeordnete erklärten in Kreuth, dass sich der bayerische Innenminister Günther Beckstein mit seinem Kabinettskollegen Erwin Huber auf eine Nachfolge Stoibers geeinigt habe. Danach sollen Beckstein neuer Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Huber Parteichef werden. Beckstein selbst und Fraktionschef Joachim Herrmann sprachen dagegen von Spekulationen. "Es gibt keinerlei Entscheidung im Moment", betonte Beckstein.
Montag soll Fahrplan vorgestellt werden
Herrmann kündigte aber vor Journalisten in Kreuth an, dass Stoiber am Montag im CSU-Vorstand einen Fahrplan zur Lösung der Krise vorstellen wolle. Aus CSU-Kreisen verlautete, führende Politiker der CSU versuchten zur Zeit, eine möglichst breite Zustimmung für eine Lösung der Nachfolge von Stoiber zu finden. "Es gibt noch keine abschließende Entscheidung", hieß es aber. "Das Paket ist noch nicht endgültig zugeschnürt." Die Hauptakteure seien darum bemüht, alle Ebenen der Partei mit in eine Lösung einzubeziehen. "Die Dinge entwickeln sich sehr schnell", hieß es. "Man ist bestrebt, dass eine Lösung von allen mitgetragen wird - von der Landtagsfraktion, der Landesgruppe, den Parteigliederungen und natürlich von Stoiber selbst."
Die Chronologie der weiß-blauen Krise
1. November 2005: Stoiber gibt nach längerem Taktieren seine Pläne für ein Ministeramt in der großen Koalition auf. Die Partei ist irritiert, der "Erbfolgekrieg" zwischen Innenminister Günther Beckstein und Staatskanzleichef Erwin Huber wird abgeblasen.
14. November: Der CSU-Chef räumt ein, nicht genug mit der Landtagsfraktion geredet zu haben. Er leide "wie ein Hund", weil das Ansehen der CSU Schaden genommen habe. Ende des Monats bildet er sein Kabinett um, kann die Lage jedoch nicht beruhigen.
August: Die Fürther Landrätin Gabriele Pauli (CSU) macht sich mit einer Klage gegen die Landesregierung bemerkbar. Darin geht es um die Kosten für die Einführung des achtjährigen Gymnasiums.
12. Oktober: Pauli verlangt am Rande des CSU-Parteitags in Augsburg erstmals, Stoiber solle auf die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2008 verzichten.
18. Dezember: Im Parteivorstand wirft Pauli Mitarbeitern der Staatskanzlei vor, man habe versucht, ihr Privatleben telefonisch auszuforschen. Vier Tage später bittet Stoibers langjähriger Büroleiter Michael Höhenberger um seine Entlassung.
9. Januar: Auf der Klausur der CSU-Landesgruppe des Bundestags in Wildbad Kreuth irritiert Stoiber mit der Ankündigung, bis 2013 im Amt bleiben zu wollen. Später deutet er einen früheren Rückzug an.
15./16. Januar: Auf dem Treffen der CSU-Landtagsabgeordneten, ebenfalls in Wildbad Kreuth, drängen mehrere Mitglieder der Fraktionsführung auf eine rasche Entscheidung. Stoiber hatte zuvor seine Bereitschaft zum Verzicht auf die Kandidatur angedeutet.
18. Januar: Nach Angaben aus der CSU-Landtagsfraktion ist eine Vorentscheidung gefallen. Danach soll Innenminister Günther Beckstein Regierungschef und Wirtschaftsminister Erwin Huber Parteivorsitzender werden.
Zunächst hatte es geheißen, Stoiber habe dem Gespräch mit Huber und Beckstein beigewohnt und der Lösung zugestimmt. Andere Fraktionsmitglieder erklärten, Stoibers Haltung sei nach wie vor offen. Beckstein nannte den von der Münchner "Abendzeitung" am Donnerstag veröffentlichten Bericht zu seiner Einigung mit Huber über eine Nachfolgelösung Spekulation. Er fügte jedoch hinzu: "Es ist selten so, das alles aus der Luft gegriffen ist." Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer widersprach in Kreuth Berichten, Stoiber habe sich schon bereit erklärt, seine Ämter abzugeben. "Eine solche Festlegung gibt es aus meiner Sicht nicht", sagte Ramsauer vor seiner Rückreise aus Wildbad Kreuth nach Berlin.
Auch CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann nannte alle Meldungen über eine Nachfolge Stoibers "reine Spekulation". Der Ministerpräsident sei ausdrücklich beauftragt worden, Vorschläge für den Parteitag im September vorzubereiten. Herrmann fügte hinzu, er habe den Eindruck, dass sich der CSU-Chef seiner Führungsverantwortung voll bewusst sei und einen sinnvollen Fahrplan vorlegen werde. Dass die Partei in einer sensiblen Phase sei, könne man auch den Meinungsumfragen entnehmen.
"Keine Nacht- und Nebelaktion"
Beckstein betonte: "Die Schwierigkeit ist, eine anständige und einvernehmliche Lösung zu finden." Es gebe keine Nacht- und Nebelaktion, fügte er hinzu. Die Ungewissheit dürfe nicht bis September andauern, aber die Lösung sei keine Frage von Stunden, sondern "von Tagen, Wochen oder Monaten".

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Der bayerische Landtagspräsident Alois Glück sagte: "Alles was von irgendwelchen Schwätzern kolportiert wird, ist falsch und verheerend. Der Ministerpräsident wird vermutlich am Montag im Vorstand darstellen, wie er sich den Zeitplan vorstellt." Zahlreiche CSU-Landtagsabgeordnete, die jedoch ihren Namen nicht veröffentlicht wissen wollten, bestätigten dagegen, die von Huber und Beckstein getroffene Nachfolgelösung und sprachen dabei von einem Glücksfall für Partei und Fraktion.
Seehofer bleibt außen vor
Offenbar keine Berücksichtigung findet den Informationen aus Parteikreisen zufolge Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer in der neuen Führungsspitze. Seehofer war lange als Nachfolger Stoibers als Parteichef gehandelt worden. Er habe keine neuen Informationen, sagte der CSU-Vize während seines Rundgangs auf der Berliner Grünen Woche. Er lehnte jeden inhaltlichen Kommentar zum Führungsstreit in der CSU und zu Medienberichten zu seinem Privatleben ab. "Es ist alles, was im Moment zu erklären ist, erklärt", sagte er lediglich. "Ich bin hier ruhig und stehe für meine Aufgaben zur Verfügung."
Auf dem Höhepunkt der Nachfolgedebatte um Stoiber waren in der "Bild"-Zeitung Berichte über eine angebliche außereheliche Beziehung des Ministers erschienen. Eine Mitarbeiterin eines anderen Bundestagsabgeordneten erwarte von Seehofer ein Kind, hieß es. Die Berichte wurden parteiintern und von Experten als Teil einer Schmutzkampagne bewertet, um Seehofer zu verhindern.
Stoiber hatte auch nach der Klausurtagung in Kreuth erkennen lassen, dass er nicht kampflos abtreten will. Er kündigte an, bei Besuchen von Regionalgruppen der CSU für eine neuerliche Nominierung zu werben. Sein Ziel bleibe eine Wiederwahl als Parteichef und die Spitzenkandidatur, zitierten Zeitungen noch am Donnerstag aus Regierungskreisen.