Das Deutschlandticket ist ein Erfolg: Für Millionen Menschen, die die Bus-und-Bahn-Flatrate seit dem 1. Mai nutzen. Für Verkehrsunternehmen, die sich über steigende Fahrgastzahlen freuen können. Fürs Klima, das durch die vermehrte Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) entlastet wird. Und nicht zuletzt für die Ampel in Berlin, der mit dem Ticket ein echtes Vorzeigeprojekt gelungen ist.
Und doch läuft die Regierung offenbar Gefahr, sich ihren Erfolg nun wieder zunichtezumachen – so jedenfalls der Vorwurf der Bundesländer vor der an diesem Mittwoch beginnenden Verkehrsministerkonferenz in Köln. Es drohe schon bald das Aus für das Deutschlandticket, sagte Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) im ARD-"Morgenmagazin".
Weitere Finanzierung des Deutschlandtickets offen
Worum geht's? Der ÖPNV ist in Deutschland seit den 1990er Jahren Sache der Bundesländer. Sie bestimmen zum Beispiel, wo welcher Zug fährt, und kaufen die Fahrten bei Verkehrsunternehmen wie der Deutschen Bahn oder der privaten Konkurrenz nach Ausschreibungen ein. Weil der Nahverkehr in der Regel nicht kostendeckend arbeiten kann, die Fahrpreiseinnahmen also die Ausgaben der Unternehmen nicht decken, wird der ÖPNV von den Ländern bezuschusst. Hierzu bekommen sie vom Bund Geld zur Verfügung gestellt, dazu ist er seit der Bahnreform gesetzlich verpflichtet. Im vergangenen Jahr betrugen diese sogenannten Regionalisierungsmittel rund zehn Milliarden Euro.
Spektakuläre Schienenwege – auf Traumstrecken mit dem Deutschlandticket unterwegs

Regionalzüge starten nahezu stündlich von Hamburg-Altona. Weitere Züge verkehren unter anderem von Husum, Heide oder Niebüll. Den Fahrplan für den Hindenburgdamm finden Sie hier
Durch das Deutschlandticket allerdings brechen Einnahmen der Verkehrsunternehmen weg. Mit 49 Euro ist die Fahrkarte in vielen Fällen deutlich günstiger als bisherige Abonnements. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Bus- und Bahnverbindungen, sodass mehr Züge auf die Schiene und mehr Busse auf die Straßen gestellt werden müssen. Damit steigen die Kosten. In Summe wächst also das Defizit im ÖPNV.
"Das Deutschlandticket ist zu wertvoll, um es zu zerreden"
Vor Einführung des Deutschlandtickets hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Eventuelle entstehende Mehrkosten in diesem Jahr (geschätzt 1,1 Milliarden Euro) sollen ebenfalls jeweils zur Hälfte getragen werden. Aber – und hier liegt der Knackpunkt – für die Jahre ab 2024 gibt es noch keine Einigung, wie das im ÖPNV-Sektor mutmaßlich zusätzlich entstehende Defizit aufgefangen werden soll.
"Wir sind bereit, die Mehrkosten, die offensichtlich sind, die auch gar nicht im Grundsatz strittig sind, dass wir wie bisher auch davon 50 Prozent übernehmen", sagte NRW-Verkehrsminister Krischer. Vom Bund gibt es diese Zusage noch nicht. Dies sei "nicht nachvollziehbar", so der Grünen-Politiker weiter.
Ihm zufolge liegt die Zukunft des Deutschlandtickets damit in der Hand von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Doch der hatte im Vorfeld mehrfach ausgeschlossen, dass der Bund mehr Geld für das Deutschlandticket bereitstellt. Er forderte die Bundesländer auf, ihre Sparanstrengungen im ÖPNV zu verstärken. "Ich empfehle den Ländern, jetzt mutig weiter voranzugehen und den Flickenteppich der Verkehrsverbünde effektiv neu zu ordnen", sagte Wissing im August laut "Tagesschau". "Da müssen jetzt Einspareffekte erzielt werden, sodass der ÖPNV besser wird im Angebot und gleichzeitig unnötige Kosten eingespart werden. Wir haben alleine zwei Milliarden Euro Vertriebskosten für ÖPNV-Tickets. Das muss sich ändern", sagte der Minister, dessen Partei, die Deutschland-Fahrkarte anfangs mit dem Begriff "Wissing-Ticket" feierte. Durch sein Nein zu mehr Geld gefährde "derjenige, der sich am meisten mit dem Ticket präsentiert, die Zukunft des Tickets", kritisierte Oliver Krischer.
"Deutschlandticket fortsetzen: Planungssicherheit für Verkehrsbranche und Fahrgäste schaffen", heißt der Tagesordnungspunkt der Verkehrsministerkonferenz – auch Volker Wissing ist in Köln dabei. Wie der gordische Knoten dort durchschlagen werden kann, ist allerdings vollkommen offen. Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene, appelliert an die Politik, eine Lösung für die verfahrene Lage zu finden. "Das Deutschlandticket ist zu wertvoll, um es zu zerreden."
Quellen: ARD-"Morgenmagazin", "Tagesschau", Deutschlandticket, Verkehrsministerkonferenz, Nachrichtenagenturen DPA und AFP