Parteitag in Karlsruhe Streit um Asylpolitik – Grüne Basis folgt nach hitziger Debatte dem Kurs der Parteispitze

Die Grünen streiten über die Asylpolitik. Vor allem die Jugend in der Partei ist gegen Verschärfungen bei der Migration nach Deutschland. Doch die Führungsriege setzt sich durch – um die Ampel-Regierung in Berlin zu retten.

Auf ihrem Parteitag haben sich die Grünen nach einer sehr emotional ausgetragenen Debatte hinter den Kurs der Parteispitze in der Asylpolitik gestellt. Ein Antrag der Grünen Jugend, wonach grüne Regierungsmitglieder keine Asylrechtsverschärfungen mehr mittragen dürften, scheiterte. Vizekanzler Robert Habeck hatte in der Debatte vor einem "Misstrauensvotum" gewarnt. Die Wahrheit sei, "dass dieser Antrag auffordert, die Regierung zu verlassen". 

"Diese Abstimmung wird Konsequenzen haben für das Regierungshandeln, für uns in der Regierung", hatte Habeck zu dem Antrag der Grünen Jugend gesagt. Es handele sich nicht um einen Änderungsantrag, sondern "es ist ein Misstrauensvotum in Verkleidung, das in Wahrheit sagt, verlasst die Regierung". Das werde dann "nur dazu führen, dass andere die Politik machen und dadurch wird sich nichts verändern", mahnte der Grünen-Wirtschaftsminister. 

Die Grünen wollen weiter regieren – eindringlicher Appell von Annalena Baerbock

Außenministerin Annalena Baerbock sagte in der Debatte: "Wir regieren, weil wir Verantwortung tragen." Bei Annahme des Antrags der Grünen Jugend "können wir nicht verhandeln", weder auf EU-Ebene noch in der Ministerpräsidentenkonferenz noch im Bundeskabinett.

Zahlreiche junge Rednerinnen und Redner hatten zuvor Zustimmung zu dem Änderungsantrag gefordert und massive Kritik am Asylkurs der Ampel-Regierung in Berlin geäußert. Die neue Bundessprecherin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, sagte, es gebe keinen Grund für weitere Asylrechtsverschärfungen. "Wer den Rechten hinterherläuft, der gerät in Stolpern", so Stolla. Sie forderte "Politik aus Liebe zu allen Menschen und nicht Politik aus Liebe zum Koalitionspartner". Die Kritiker der Regierungspolitik wurden lautstark bejubelt.

Der Parteitag beschloss schließlich den Antrag des Grünen-Vorstands, in dem es heißt: "Steuerung, Ordnung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu." Darin wird auch davor gewarnt, dass die Politik die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verliere, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkomme.

Um einen Eklat zu verhindern, hatte sich der Parteivorstand allerdings zu einigen Änderungen an seinem Beschlusstext bereiterklärt. Der stand unter dem Titel "Humanität und Ordnung: für eine anpackende, pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik". So wurde beispielsweise der Satz gestrichen: "Daneben müssen, wo die Kapazitäten erschöpft sind, durch rechtsstaatliche und menschenwürdige Maßnahmen auch die Zahlen sinken."

Die Grünen-Politiker Ricarda Lang und Winfried Kretschmann hatten vor dreieinhalb Wochen in einem gemeinsamen Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" zum Thema Migration nach Deutschland geschrieben: "Wenn die Kapazitäten – wie jetzt – an ihre Grenzen stoßen, müssen auch die Zahlen sinken." Die Parteivorsitzende und der baden-württembergische Ministerpräsident betonten, bei aller gebotenen Menschlichkeit gelte: "Steuerung und Rückführung gehören zur Realität eines Einwanderungslandes wie Deutschland dazu." Der Bundestag soll am kommenden Donnerstag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten, der das Ziel hat, dass "gesetzliche Regelungen, die Abschiebungsmaßnahmen verhindern oder zumindest erschweren, angepasst werden sollen".

AFP
anb