Anders als von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zunächst angekündigt wird es vor der für September erwarteten Bundestagswahl wohl keine Neuregelung zum EU-Haftbefehl geben. Einen Tag nach dem Scheitern des deutschen Gesetzes zur EU-Haftbefehl vor dem Bundesverfassungsgericht hieß es am Dienstag parteiübergreifend, eine Neuregelung sei in dieser Wahlperiode kaum noch möglich. Entsprechend äußerten sich der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz, Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Bosbach und die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Warnung vor "Schnellschuss"
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) warnte vor einem "zweiten Schnellschuss" durch die Justizministerin. Auch Zypries äußerte sich inzwischen vorsichtiger und sprach nur noch von einer theoretischen Möglichkeit, dass die Neuregelung den Bundestag noch vor den Neuwahlen passiere. "Ob es dann praktisch geht, müssen wir schauen", sagte die Ministerin im RBB-Inforadio. Die Verfassungsrichter hatten das deutsche Gesetz zur Umsetzung des EU-Haftbefehls für nichtig erklärt und damit die Auslieferung mutmaßlicher Straftäter mit deutschem Pass an das Ausland vorerst gestoppt. Das im August 2004 in Kraft getretene Gesetz greife unverhältnismäßig in das Grundrecht ein, wonach im Grundsatz kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden darf. Als Konsequenz war in Hamburg der Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli aus der Auslieferungshaft entlassen worden, der in Spanien der Zugehörigkeit zum Terror-Netz Al-Kaida beschuldigt wird.
Sitzung des Bundestags am 7. September
Zypries hatte am Montagabend in der ARD die Hoffnung geäußert, das neue Gesetz noch vor der für den 18. September erwarteten Bundestagswahl durch das Parlament zu bringen. Es sei ohnehin eine Sitzung des Bundestages für den 7. September geplant. Wiefelspütz zeigte sich am Dienstag im Deutschlandfunk skeptisch, dass dies gelingen könne. Zwar werde das Justizministerium sicherlich in der Lage sein, binnen vier bis sechs Wochen einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir eine Chance haben, ihn noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden." Das umfangreiche Gesetzgebungsverfahren werde erst in der nächsten Wahlperiode umzusetzen sein, "dann aber sicherlich sehr zügig".
Ministerium soll mit Vorarbeiten beginnen
Auch CDU-Innenpolitiker Bosbach nannte es unwahrscheinlich, dass eine Neuregelung noch vor der Wahl komme. Trotzdem sollten im Justizministerium bereits die Arbeiten an einem neuen Gesetz entsprechend den Auflagen der Verfassungsrichter anlaufen, sagte Bosbach im Deutschlandradio Kultur. Die frühere Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete es als fahrlässig, dass Zypries "jetzt in aller Hektik ein neues Gesetz" vorlegen wolle. Wenn es zur Auflösung des Bundestages komme, solle sich das Parlament erst im Herbst - dann aber gründlich - damit befassen. Bayerns Innenminister Beckstein äußerte im WDR Verständnis für die Entscheidung des Verfassungsgerichts. "Es gibt einen besonderen Auslieferungsschutz im Grundgesetz, und der ist nicht mehr beachtet worden", sagte der CSU-Politiker nach Mitteilung des Senders. "Es wäre verheerend, wenn man jetzt einen zweiten Schnellschuss macht." Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der EU-Vorgabe war 2004 von allen Fraktionen und vom Bundesrat verabschiedet worden.