Der Parteiausschluss von Wolfgang Clement hat in der SPD zwiespältige Reaktionen ausgelöst. In NRW selbst ist die Entscheidung erwartungsgemäß positiv aufgenommen worden. Doch es formiert sich auch Widerstand. So warnte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vor dem Ausschluss von Clement. "Natürlich war der verkappte Wahlaufruf von Wolfgang Clement gegen die hessische SPD vor der hessischen Landtagswahl eine Riesendummheit und auch parteischädigend", sagte Gabriel, der auch Mitglied des SPD-Bundesvorstandes ist, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Aber wenn wir jeden, der bei uns mal Blödsinn erzählt oder uns Probleme macht, ausschließen, dann wird’s auf die Dauer einsam."
Zugleich warnte Gabriel vor den politischen Folgen. "Wenn wir anfangen, so den innerparteilichen Meinungsstreit zu beenden - uns gegenseitig auszuschließen -, gibt es nur einen Gewinner: die politische Konkurrenz von CDU und Linkspartei." Der SPD-Politiker äußerte die Hoffnung, dass Clement Beschwerde bei der nächsten Instanz, dem Bundesschiedsgericht, einlegen werde. So könne das Verfahren noch einmal "unaufgeregt" beurteilt werden und ein anderes Urteil gefällt werden.
Eichel zeigt Verständnis
"Angesichts der Lebensleistung von Wolfgang Clement halte ich einen Parteiausschluss für unangemessen", sagte Eichel der "Frankfurter Rundschau". Zugleich äußerte er Verständnis für die Kritik in seiner Partei an dem früheren Bundesminister: "Was Wolfgang Clement vor der Hessenwahl gemacht hat, halte ich nicht für akzeptabel." Eine große Volkspartei wie die SPD müsse aber solche Spannungen aushalten und Konflikte mit Argumenten austragen.
Auch der frühere SPD-Parteichef Franz Müntefering wandte sich gegen einen Parteiausschluss seines Parteifreundes. "Die in demokratischer Streitkultur geübte Sozialdemokratie muss solche Auseinandersetzungen anders als mit Ausschluss beantworten", sagte der einstige Vizekanzler. "Wolfgang Clement gehört zur SPD dazu. Besonnenheit ist angesagt."
Die Entscheidung der Schiedskommission der SPD in Nordrhein-Westfallen sei ein Instanzenurteil, müsse aber nicht das letzte Wort sein, sagte Müntefering weiter: "Ich hoffe, Wolfgang Clement ruft die entscheidende Kommission, die Bundesschiedskommission, an und bleibt in der SPD."
Der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend stärkte Clement ebenfalls den Rücken: "Natürlich hat er es der SPD nicht immer leicht gemacht. Aber als Ministerpräsident hat Wolfgang Clement viel geleistet und als Wirtschaftsminister durch seine Arbeitsmarktreform wesentlich dazu beigetragen, dass wir heute 1,8 Millionen Arbeitslose weniger haben." Er sei "sicher, dass die Entscheidung von abgedrehten Sektierern vor dem Bundesschiedsgericht keinen Bestand haben wird".

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Ausschluss ein "schwieriges Signal"
Auch die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt kritisierte den geplanten Parteiausschluss. "Es hätte gereicht, wenn man es bei einer Rüge belassen hätte", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Allerdings hätte Clement diese Rüge auch akzeptieren müssen. Der Ausschluss sei politisch ein "schwieriges Signal". "Bei einem ehemaligen Ministerpräsidenten und Minister sollte man nicht so schnell das Tischtuch zerschneiden", sagte Präsidiumsmitglied Vogt. Sie äußerte sich überrascht, dass die SPD-Landesschiedskommission in Nordrhein-Westfalen die Verdienste Clements nicht stärker gewichtet habe.
Ganz anders dagegen die Stimmung in NRW: Die Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Hannelore Kraft, erklärte, sie bedauere persönlich ausdrücklich, dass es so weit gekommen sei. "Bewusst parteischädigendes Verhalten ist in der Geschichte der SPD immer so gehandhabt worden", erklärte zudem SPD-Vordenker Erhard Eppler. Clement habe sich mit seinen parteikritischen Äußerungen im Vorfeld der hessischen Landtagswahl selbst ins Abseits gestellt. "Ein Mann, der in fast allen wichtigen Punkten anderer Meinung ist als seine Partei, braucht nicht mehr Parteimitglied zu sein", so Eppler.
SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer sieht im Parteiausschluss kein Signal für eine Beschneidung der innerparteilichen Meinungsfreiheit. "Es geht nicht darum, dass Wolfgang Clement sich für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken ausgesprochen hat oder dass er den Agenda-Prozess verteidigt", sagte er. Es gehe allein darum, dass Clement in der heißen Phase des hessischen Wahlkampfes öffentlich und absichtlich dazu aufgerufen hat, die SPD nicht zu wählen.
Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme, Rudolf Malzahn, verwies darauf, dass sich Clement uneinsichtig gezeigt habe: "Er hat gesagt, er würde es jederzeit wieder tun." Das Ausschlussverfahren sei zudem unabhängig von der Stellung einer Person: "Es ist egal, welchen Titel und welchen Rang eine Person hat - vor dem Gesetz sind alle gleich." Der Bochumer Ortsverein hatte das Parteiausschlussverfahren gegen Clement entschieden vorangetrieben.