Christian Lindner weiß, dass es für die FDP bei der NRW-Wahl ums nackte Überleben geht. Die Rede des früheren FDP-Generalsekretärs auf dem Kongress der Landes-Liberalen am Sonntag in Duisburg gleicht daher über weite Strecken einer Lehrstunde zum Thema "Wir überzeuge ich meine Wähler?" Die Menschen müssten sagen können: "Ja, das ist wieder meine FDP", schärft der FDP-Spitzenkandidat der Parteibasis immer wieder ein. Ob durch einen seriösen Wahlkampfstil oder in politischen Detailfragen wie den Erhalt der Gymnasien - "das ist wieder meine FDP", müsse die Botschaft an enttäusche Liberale lauten.
Die von politischen Existenzängsten geplagten FDP-Funktionsträger in Lindners Publikum bedenken die programmatische Rede ihres 33-jährigen Hoffnungsträgers wiederholt mit anhaltendem Beifall. Vielen von ihnen dürfte Lindner schon sechs Wochen vor der Wahl wie ein freidemokratischer Messias erscheinen: Im Umfragen dümpelte die NRW-FDP wochenlang bei zwei Prozent und damit nur knapp oberhalb der demoskopischen Wahrnehmungsgrenze. Nachdem sich Lindner Mitte März zur Spitzenkandidatur bereit erklärte, sagen Meinungsforscher der Partei derzeit immerhin vier Prozent voraus.
Selbstbewusstsein+Bescheidenheit=Souveränität
Das reicht zwar weiter nicht für den Wiedereinzug in den Landtag, aber immerhin für eine leichte Stimmungsaufhellung. Dieses zarte Hoffnungspflänzchen will Lindner mit einem argumentativen Wahlkampf sorgsam weiter aufpäppeln. "Ich will, dass die FDP schon im Stil der Auseinandersetzung in diesem Wahlkampf den Unterschied macht", erteilt Lindner jeglichem Wahlkampfgepolter eine Absage - und damit einer Wahlkampfführung, wie sie einst sein politischer Ziehvater Jürgen Möllemann pflegte.
Die FDP dürfe angesichts ihrer "historischen Leistungen" zwar Selbstbewusstsein zeigen, sagt Lindner, die Partei habe aber angesichts eines Vertrauensverlustes in den vergangenen Jahren auch Anlass zur Bescheidenheit. "Wenn Selbstbewusstsein und Bescheidenheit zusammenkommen, dann heißt das Souveränität", gibt der Spitzenkandidat der Parteibasis mit auf den Weg. Und mit Souveränität wolle er den Wahlkampf führen - eben damit liberal Denkende sagen könnten: "Ja, das ist wieder meine FDP."
Lindner will "Selbstkorrektur der FDP"
Doch der Imagewechsel, den Lindner der FDP auf deren Weg aus dem Umfragetief verordnet, beschränkt sich nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Partei. Der Hoffnungsträger der NRW-Liberalen sendet auch neue politische Botschaften aus: Lindner will die FDP vom Ruf der reinen Steuersenkungspartei befreien. NRW brauche eine "neues Denken", fordert er vor den Delegierten. Denn Vorrang vor Steuersenkungen müsse die Entschuldung der öffentlichen Finanzen haben - nur durch deren Konsolidierung könne der Staat aus der Abhängigkeit von den Finanzmärkten befreit werden.
Diese Haltung sei "auch eine Art Selbstkorrektur der FDP", räumt Lindner ein. So ziehen die Freidemokraten nun mit dem Slogan "Lieber neue Wahlen als neue Schulden" in den NRW-Wahlkampf. Damit will die FDP nebenbei dem Wähler vermitteln, dass Liberale für ihre Überzeugungen notfalls auch ein hohes politisches Risiko auf sich nähmen. Denn die Botschaft lautet: Hätte die FDP im NRW-Landtag nicht gegen den Etat der rot-grünen Minderheitsregierung gestimmt, wäre diese auch nicht gescheitert. Mit der Folge, dass es keine vorgezogenen Wahlen gegeben hätte und die FDP jetzt nicht um ihr Überleben zittern müsste.
Seitenhieb gegen Piraten
So sehr Lindner in seiner Duisburger Rede auf Sachlichkeit in der politischen Auseinandersetzung Wert legt - so ganz ohne Seitenhieb auf die politische Konkurrenz will der Ex-Generalsekretär der Bundes-FDP die Parteibasis dann doch nicht auf den Heimweg schicken. So geißelt er beispielsweise die SPD-Finanzpolitik mit den Worten, der Staat könne "gar nicht genug Geld haben, als dass Sozialdemokraten damit auskommen könnten." Und auch die Piraten lässt Lindner nicht ungeschoren: Eine liberale Partei seien die Piraten keineswegs, sagt der FDP-Spitzenkandidat, vielmehr "eine Art Linkspartei mit Internetanschluss".