Ein Spitzentreffen von Regierung und Opposition im Kanzleramt hat den Streit um den europäischen Fiskalpakt noch nicht beendet. In der Frage einer Finanzmarktsteuer seien sich die Parteien einig, allerdings müsse weiter über Wachstumsimpulse beraten werden, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Donnerstag nach dem Treffen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Partei- und Fraktionschefs vertagten sich auf Donnerstag kommender Woche.
Eine Verabschiedung des Fiskalpakts noch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli sei mit den erzielten Annäherungen wahrscheinlicher geworden, berichteten Teilnehmer. "An uns wird das nicht scheitern", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sah die Gespräche "auf einem guten Weg". Sein Grünen-Kollege Jürgen Trittin wertete das Treffen als Beginn einer Abkehr von der strengen Sparpolitik: "Man kann heute sagen: Das Europa der Austerität geht zu Ende."
Vertreter der schwarz-gelben Koalition konnten offenbar die Zweifel der Opposition an der Aufrichtigkeit ihres Bekenntnisses zu einer Finanztransaktionsteuer ausräumen. Bei dem Treffen sei klar geworden, "dass die Besteuerung der Finanzmärkte auf den Weg kommt", zeigte sich Steinmeier zufrieden. Hier seien "Missverständnisse" ausgeräumt worden. Die Regierung wolle die Steuer noch in diesem Monat auf europäischer Ebene vorantreiben.
Brüderle: "Wir sind bereit mitzumachen."
Eine solche Steuer zählt zu den Bedingungen von SPD und Grünen für eine Zustimmung zum Fiskalpakt. Vor allem in der FDP gibt es Vorbehalte dagegen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle betonte aber nach den Beratungen die Konsensbereitschaft seiner Partei in der Steuerfrage: "Wir sind bereit mitzumachen."
Näher gekommen sind sich Regierung und Opposition in der Frage zusätzlicher Wachstumsimpulse für die europäischen Volkswirtschaften. So verständigten sie sich nach Angaben von Teilnehmern auf eine Erhöhung des Stammkapitals der Europäischen Investitionsbank, die Trittin auf 50 bis 60 Milliarden Euro bezifferte. Weitere Wachstumsimpulse im Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro sollten durch die Umwidmung von Strukturfondsmitteln erzielt werden, sagte er.
Eine Einigung auf ein umfassendes Programm für Wachstum und Beschäftigung, wie es die Opposition fordert, stand aber noch aus. Hier seien die Vereinbarungen "noch nicht konkret genug", sagte Gabriel. Keine Einigung gab es in der Frage eines gemeinsamen Tilgungsfonds für europäische Altschulden, wie ihn vor allem die Grünen fordern. Die Koalition müsse nun eigene Vorschläge vorlegen, wie der Zinsdruck auf Krisenländer gesenkt werden könne, sagte Trittin.
Linkspartei gegen den Fiskalpakt
In den kommenden Tagen sollen die Parlamentarischen Geschäftsführer über offene Fragen verhandeln, ehe die Chefs kommende Woche erneut zu Gesprächen zusammenkommen. Bereits am Donnerstag dieser Woche solle über einen Fahrplan zur parlamentarischen Verabschiedung des Fiskalpakts beraten werden. Der Fiskalpakt benötigt im Bundestag und Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Linkspartei, die an den Gesprächen im Kanzleramt teilnahm, hat sich bereits auf ein Nein festgelegt.
Die SPD-Troika aus Gabriel, Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück reiste nach dem Treffen im Kanzleramt zu einem Besuch bei Frankreichs Staatspräsident François Hollande nach Paris. Die EU-Kommission äußerte sich derweil zurückhaltend zur raschen Einführung einer Finanzstransaktionssteuer. Es gebe noch viele "Unbekannte", sagte eine Sprecherin in Brüssel.