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Fragwürdige Geschäfte von Rainer Speer Schnäppchenjagd in Brandenburg

Recherchen von stern.de haben Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD) in Bedrängnis gebracht. Unter seiner Ägide hatte das bettelarme Bundesland ein Grundstück erstaunlich günstig abgegeben. Jetzt gibt es neue Fragen - wieder geht es um den Verkauf von Landeseigentum.
Von Hans-Martin Tillack

Als rigoroser Sparpolitiker lässt sich Rainer Speer eigentlich von keinem übertreffen. Egal ob bis vor zehn Monaten als Finanzminister des Landes Brandenburg oder heute als Innenminister - der SPD-Politiker kürzt und streicht wo er kann.

Doch nun hat der Sozialdemokrat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Seit stern.de vergangene Woche fragwürdige Einzelheiten eines Grundstücksgeschäfts in der Landeshauptstadt Potsdam enthüllte, gerät der gern hemdsärmelig auftretende 51-jährige in Erklärungsnot. Die Oppositionsparteien CDU und Grüne verlangen Aufklärung, die FDP hat sogar einen möglichen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht.

Unter Speers Ägide hatte das Land vor drei Jahren ein gut 110 Hektar großes Areal für nur gut vier Millionen Euro verkaufen lassen, dessen Wert ein unabhängiger Gutachter wenige Tage später auf 25 Millionen Euro schätzte. Unter den Beteiligten waren auffällig viele Figuren, die mit der SPD Brandenburg oder sogar Speer persönlich gut vernetzt sind.

Fast täglich monieren die Tageszeitungen nun neue Ungereimtheiten bei dem Millionendeal. Das inzwischen von Linken-Minister Helmuth Markov geführte Landesfinanzministerium verteidigt sich nur lahm: "Aus heutiger Sicht" seien die Vorwürfe unbegründet.

Das fragwürdige Geschäft war kein Einzelfall

Jetzt gibt es nach Recherchen von stern.de neue Fragen. Wieder geht es um ein fragwürdiges Geschäft, das unter dem Finanzminister Speer geschah. Mit dem Fall Krampnitz steht es in engem Zusammenhang. Es betrifft die Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG), die im Landesauftrag alte Kasernengelände verwertet und 2007 auch den umstrittenen Potsdamer Immobiliendeal abgewickelt hatte.

Bis 2006 war diese Gesellschaft im Besitz des Landes. Doch vor vier Jahren ließ Speer sie verkaufen, zu einem erstaunlich günstig erscheinenden Preis. Der Käufer war die TVF Thyssen VEAG Flächenrecycling GmbH, die damals bereits mehrheitlich dem Unternehmer Frank Marczinek gehörte, der heute auch die BBG führt. Heute heißt die Firma TVF Altwert GmbH.

Dem Haushaltsausschuss des Landtages hatte Speer es mit einem Schreiben vom 7.11.2006 so dargestellt: Das Land erhalte "für die BBG" 3,9 Millionen Euro, allerdings teilweise "über eine Ausschüttung von der Gesellschaft". Dieser Betrag sei jedenfalls höher als der Ertragswert der BBG, den ein neutraler Gutachter ermittelt habe, versicherte der Minister.

Offizielle Jahresabschlüsse zeigen Ungereimtheiten

Was Speer in dem Schreiben an das Parlament nicht erwähnte: Zwar flossen in der Tat 3,9 Millionen an das Land. Doch Marczineks Unternehmen TVF zahlte in Wahrheit nur 638.410 Euro für die BBG. So erklärte es die Käuferfirma selbst in ihrem Jahresabschluss. Doch allein im Jahr 2007 erzielte die frisch übernommene BBG bereits einen Bilanzgewinn von 331.263 Euro, im Jahr darauf einen Jahresüberschuss von 351.620 Euro - alles laut den offiziellen Jahresabschlüssen im Bundesanzeiger. Der Verkauf sei "nicht zum Nachteil der öffentlichen Hand" gewesen, versichert das Finanzministerium dennoch auch heute noch.

Im August 2006, zweieinhalb Monate bevor die TVF die BBG übernehmen konnte, hatte die Käufergesellschaft selbst den Besitzer gewechselt. TVF-Geschäftsführer Marczinek hatte sie im Rahmen eines so genannten Management Buy-Outs mehrheitlich übernommen. Thyssen und Vattenfall, die Vorbesitzer, waren von Bord gegangen. Der gleich darauf folgende Kauf der landeseigenen BBG kam für Marczineks neue Firma gerade rechtzeitig. Wegen sinkender Umsätze war es für TVF nach eigenen Angaben "notwendig, verstärkt Aktivitäten zu entwickeln, um neue Märkte zu erschließen". "Vor diesem Hintergrund" habe man die BBG erworben - so stand es im Jahresabschluss des Unternehmens für 2007.

Marczinek und Speer sind eng verbandelt

Marczinek ist in Brandenburg kein Unbekannter. Seit Juni sitzt er im Vorstand des Fußballclubs SV Babelsberg 03. Seine TVF Altwert GmbH ist inzwischen auch Sponsor des Drittligisten. Dessen Präsident ist kein anderer als Minister Rainer Speer.

Vorwürfe wegen seiner Bekanntschaft mit Speer gingen dennoch "ins Leere", so Marzinek am Montag zu stern.de. Er sei ja erst 2009 nach dem Tod eines anderen Vorständlers "von Minister Speer" gebeten worden, im Vorstand des Fußballvereins "mitzuwirken". Auf die Frage nach dem Kaufpreis für die BBG reagiert der Unternehmer nur indirekt. Die "Geschäftsentwicklung der BBG", so Marczinek, sei eben dank "umfangreichen Kostenreduzierungen, der Akquisition neuer Auftraggeber und der Übernahme diverser sonstiger neuer Geschäftsfelder positiv gestaltet" worden.

Ministerium hatte auf offene Ausschreibung verzichtet

Der Verkauf der BBG sei 2006 "nach europaweiter Ausschreibung" erfolgt, argumentiert das Finanzministerium. Das klingt leicht irreführend, denn das Ministerium hatte unter Speer bewusst auf eine offene Ausschreibung verzichtet und stattdessen - über das Amtsblatt der EU - ein so genanntes beschleunigtes Verhandlungsverfahren annonciert. Das ähnelt einer freihändigen Vergabe. Dieses Verfahren sei nötig gewesen, weil "vertragliche Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden konnten", argumentiert das Ministerium.

Nicht ganz einleuchtend erscheint, warum die Behörde zu allem Überdruss ein beschleunigtes Verfahren wählte. Warum die Eile bei dem Verkauf? Dies habe man getan, "um eine kurzfristige Leistungserbringung zu gewähren", sagt das Ministerium heute.

Mit dem Kauf der BBG bekam Marczinek überdies auch gleich noch einen über drei Jahre laufenden Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Land. In dessen Namen sollte die Firma nun weiterhin ehemalige Kasernengelände an Investoren verkaufen. Der Wert dieses Landesauftrages an die Marczinek-Firma betrug 5,4 Millionen Euro. Eigentlich sollte dieser Kontrakt Ende 2009 auslaufen. Dann, so erklärte Speer noch im Jahr 2006, werde die privatisierte Firma hoffentlich "auch ohne die Geschäftsbesorgung für das Land lebensfähig" sein.

Dieses Ziel verfehlte der Minister. Kurz vor der Landtagswahl im September 2009 ließ er einen neuen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der BBG schließen, für vier weitere Jahre. Der Auftragswert betrug laut EU-Amtsblatt dieses mal 4,4 Millionen Euro. Erneut verzichtete das Ministerium auf eine offene Ausschreibung und beschränkte sich auf das vergleichsweise formlose Verhandlungsverfahren. Dass Marczineks BBG wieder das Rennen machte, konnte keinen verwundern: Sie war die einzige, die ein Angebot abgab. Laut Finanzministerium geschah das alles "im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben".

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