Die Hinweise, dass zwei hochrangige Politiker der SPD Brandenburg eine Umgehung des Parteiengesetzes versucht haben, verdichten sich. stern.de liegen interne Unterlagen vor, die belegen, dass der Potsdamer Architekt Moritz K. eine offenkundig fiktive Rechnung an die Beratungsfirma Roland Berger schickte. Zuvor hatte ihn der damalige Landesfinanzminister Rainer Speer (SPD) darum gebeten, mit dem Beratungsunternehmen Kontakt aufzunehmen, weil dieses "nicht direkt für die SPD spenden" wolle.
stern.de liegen zwei Schreiben von Moritz K. vor, die nach Speers Aufforderung entstanden. Zum einen schickte Moritz K. am 6. Mai 2009 im Namen seines Berliner "Büro für Architektur und Stadtplanung" an den Roland-Berger-Marketingchef Torsten Oltmanns eine Rechnung über netto 15.000 Euro, was einschließlich Mehrwertsteuer einen Bruttobetrag von 17.850 Euro ergab. Moritz K. berechnete diesen Betrag "für unsere erbrachten Beratungsleistungen zur Bewertung von Bestandsimmobilien". Oltmanns lehnte eine Bezahlung aber nach eigenen Angaben ab, da Moritz K. diese angeblich im März und April 2009 erbrachten "Beratungsleistungen" gar nicht geleistet habe. In der Tat bestand Moritz K. anschließend nicht auf der Bezahlung der Rechnung. Vielmehr übermittelte er an Roland Berger am 27.Juli 2009 eine Storno-Bescheinigung, die stern.de ebenfalls vorliegt.
Idee gehabt
In der vergangenen Woche hatte der stern den Hintergrund dieses Vorgangs enthüllt: ein Spendenessen mit dem damaligen Außenminister und SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier am 2. Februar 2009 in Potsdam. Die Teilnehmer, allesamt im Russlandgeschäft tätige Unternehmer aus dem gesamten Bundesgebiet, wurden vor wie nach dem Essen von der SPD um Spenden gebeten. Für Roland Berger nahm deren Moskauer Repräsentant Uwe Kumm teil. Zugleich führte Brandenburgs SPD-Generalsekretär Klaus Ness Gespräche mit Roland-Berger Marketingchef Oltmanns über eine mögliche Spendenzahlung.
Nachdem Oltmanns Ness erklärt hatte, dass Roland Berger als Firma keine Spende leisten werde, initiierte Ness offenbar eine mögliche Umwegfinanzierung. Nach einem internen Mailwechsel, der dem stern vorliegt, schrieb er am 2. April 2009 an Speer, Oltmanns wünsche, "dass wir das Geld bekommen, will aber nicht direkt spenden". Ness fuhr fort, Speer habe "dazu ja die Idee mit dem K." gehabt. "Kannst Du die zusammenbringen?" Darauf wandte sich Speer an Moritz K.:
"Hallo Moritz!
Unten ist eine Adresse von einem Menschen, der für die Firma Roland Berger arbeitet. Die wollen auch nicht direkt für die SPD spenden.
Könntest Du mal mit dem Kontakt aufnehmen?
Rainer"
Architekt gestorben
Architekt K. kam dieser Bitte offenkundig nach. Ihn selbst kann man zu seinen Motiven nicht mehr befragen, denn im Juni 2009 kam er bei einem Flugzeugabsturz über dem Atlantik ums Leben. Die von ihm mitgegründete Potsdamer Ingenieurgesellschaft Kock & Lünz erklärte jetzt auf Anfrage von stern.de, man könne nicht feststellen, "ob Herr K. eine Rechnung gestellt hat". Sein Architekturbüro sei nach seinem Tod eingestellt worden. Und bei Kock & Lünz sei "nie ein Zahlungseingang von Roland Berger erfolgt".
SPD-General Ness wies auf Anfrage von stern.de den Vorwurf des Versuchs einer Umgehung des Parteiengesetzes "ausdrücklich zurück". Ihm selbst, so Ness, lägen seine Mails aus dem Jahr 2009 "nicht mehr vor", deshalb könne er "keine vermeintlichen Mails an Rainer Speer verifizieren".
Die Berliner Morgenpost hatte Ness dahingehend zitiert, dass er nach dem seinerzeitigen Mailwechsel mit Speer Rat von einem Juristen des SPD-Bundesverbandes eingeholt habe. Dort erfuhr Ness offenbar, dass es keine Alternative zu einer - offiziellen - Spende gebe.
Mails verschwunden
Offen ist, ob Ness nach Einholung des juristischen Rates bei der Bundes-SPD seinen Parteifreund Speer informierte, dass keine Umwegfinanzierung möglich sei - und warum Moritz K. noch am 6.Mai 2009 seine offenbar fingierte Rechnung erstellte. Ness erklärte lediglich, er habe "keinen Anhaltspunkt dafür, dass Rainer Speer in irgendeiner Form Kontakt mit K. aufgenommen haben soll". Zu "vermeintlichen Mails Dritter" äußere er, Ness, sich "grundsätzlich nicht".

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Der Generalsekretär ließ offen, wie es dazu kam, dass ihm selbst Mails nicht mehr vorliegen, die er nach Informationen des stern im Jahr 2009 von seinem offiziellen Parteiaccount verschickt hatte. Auf die Frage, wann und unter welchen Umständen die Mails verloren gingen oder ob sie bewusst gelöscht wurden, antwortete der SPD-Funktionär nicht. Der Generalsekretär verwies lediglich auf Bestimmungen des Parteiengesetzes, wonach nur "Rechnungsunterlagen, Bücher, Bilanzen und Rechenschaftsberichte zehn Jahre lang aufbewahrt werden" müssten. Diese Vorschriften würden vom SPD Landesverband Brandenburg "selbstverständlich eingehalten".
Bundestagsverwaltung prüft
Die Bundestagsverwaltung, die die Einhaltung des Parteiengesetzes überwacht, hat inzwischen nach eigenen Angaben eine "Sachverhaltsklärung" der Vorwürfe gegen die SPD Brandenburg begonnen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, forderte die Parlamentsverwaltung bereits auf, "schnellstmöglich" eine förmliche Prüfung vorzunehmen. Ein erster Zwischenbericht sollte dem Ältestenrat des Bundestages bereits am 17.März vorgelegt werden, verlangte Altmaier.