Aus Virologen werden Meteorologen. So schnell geht das. Eine Flutkatastrophe, die gerade den Westen Deutschlands erschüttert, macht es möglich. Plötzlich doziert Karl Lauterbach nicht mehr über die nächste "Welle" und die nächste Virus-Variante, sondern über das Klima. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet springt in seine Gummistiefel mit einem unpassenden Lächeln vor die gut ausgeleuchtete Katastrophenszenerie.
Die Mechanismen sind dabei seltsam vertraut. Lauterbach, Corona-Kreischbombe oder -Mahner, je nach persönlicher Vorliebe, hat neue Horrorvisionen parat. Nachdem er uns in Sachen Pandemie erzählen wollte, dass eine ganze Elterngeneration in ihren Vierzigern auf den Intensivstationen sterbe, darf er jetzt im Fernsehen behaupten, dass Kalifornien in Zukunft unbewohnbar sein werde.
Schnell in den Panik-Modus: Nichts aus der Pandemie gelernt?
Laschet stellt mal eben einen direkten Zusammenhang zwischen der Klimafrage und der katastrophalen Regenflut her. Er wolle ganz schnell Kraftwerke schließen, versichert er treuherzig. Als ob das in der jetzigen Situation irgendjemand helfen könnte. Deutschland blickt fassungslos auf die Opfer der Flut – Laschet macht Wahlkampf.
"Natürlich, das sind schon Auswirkungen der Klimakatastrophe", ist sich Katrin Göring-Eckardt von den Grünen sicher. Viele Medien und Politiker sind auch dieser Ansicht. Aber der Deutsche Wetterdienst sagt: In Deutschland gibt es bislang keinen Trend zu mehr Tagen mit Starkniederschlag. Das Bundesumweltamt berichtet: Flusshochwasser kommen hierzulande nicht häufiger vor als früher.
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Wie kann es sein, dass wir schon wieder so schnell die Fassung verlieren und in den Panikmodus schalten? Haben wir wirklich nichts aus der Pandemie gelernt? Im Angesicht der Katastrophe und so vieler Opfer sind wir verpflichtet, kühl nachzudenken. Es muss an Lösungen gearbeitet werden, die solche Katastrophen in Zukunft verhindern. Die Meteorologen im Fernsehen können das Klima offenbar besser voraussagen als lebensgefährliche Wetterlagen.

Frank Schmiechen
Seit mehr als 30 Jahren ist Frank Schmiechen Journalist. Unter anderem war er stellvertretender Chefredakteur der "Welt" und Chefredakteur von "Gründerszene". Heute arbeitet er als Senior Advisor bei der Kommunikationsberatungsagentur WMP Eurocom. Schmiechen liebt Popmusik und Fußball.
Laschet verweist lieber auf das Klima als auf eigene Versäumnisse
Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass man sich mit klugen Vorkehrungen wie zum Beispiel besseren Abwassersystemen auf solche Fluten vorbereiten kann. In den vergangenen Jahren haben dadurch Schäden durch Hochwasser weltweit abgenommen. Auch in Deutschland und NRW wird immer wieder angemahnt, dass unsere Infrastruktur veraltet ist. Doch Ministerpräsident Laschet verweist natürlich viel lieber auf das Klima als auf eigene Versäumnisse.
Nur der WDR war in der ersten Katastrophennacht eine Spur zu entspannt – und sendete statt Informationen über die Lage in seinem Sendegebiet Popmusik aus der Konserve.