Ich mag die G20-Treffen. Wirklich. Viele werden das nicht verstehen, weil sie an die Bilder von Hamburg denken: brennende Autos, aufgerissene Straßen, geplünderte Läden, verängstigte Bewohner.
Und erst diese Politiker. Putin. Erdogan. Trump. Einer unberechenbarer als der andere. Dann sind da die Chinesen, deren Staatschef Xi Jinping Dissidenten verschwinden lässt. Oder die Saudis, ein zutiefst religiöses Land, in denen Dieben schnell die Hand abgehackt wird. Über drei Tage verschanzen sich die Mächtigen in Messehallen und kungeln das Weltgeschehen aus, das kann man doch nicht beklatschen?
Doch, kann man.
Wissen Sie auch warum? Wegen Donald Trump. Er hasst solche Zusammenkünfte. Nicht nur, weil sie ihm zu wenig Scheinwerferlicht allein lassen, denn auf der Gipfelbühne drängen sich viele andere Egos. Er hasst diese Gipfel vor allem, weil sie seinem Konzept von Politik widersprechen, wie es seine Berater Herbert McMasters und Gary Cohn kürzlich beschrieben haben. Trumps Sicht lautet: Ich zuerst und dann vielleicht America.
Für ihn ist die Welt eine Arena, in der Staaten wie Gladiatoren miteinander ringen. Er, der Donald, will in diesem Getümmel der Beste sein, nur das befriedigt seinen Narzissmus.
Runde der G20 nicht perfekt
Ich halte von dem "Ich-Prinzip" nichts. In den vergangenen Jahrhunderten haben die Mächtigen in Europa zu oft danach gehandelt und so Länder verwüstet, Kriege angezettelt und Millionen Menschen Leid beschert. Wegen dieser Erfahrungen wollten nach dem Zweiten Weltkrieg die Politiker einen anderen Weg gehen. Sie wollten reden, statt aufeinander zu schießen und schufen ein Geflecht von Organisationen: die Europäische Union, die Welthandelsorganisation, die Vereinten Nationen, der Internationale Währungsfonds und eben die G20. Sie merkten, dass sich einige Probleme besser gemeinsam lösen als gegeneinander.
Ich weiß, dass die Runde der G20 nicht perfekt ist. Sie ist nicht demokratisch legitimiert und lebt davon, wie es ein früherer Teilnehmer sagte, "dass die die drin sind, den Klub lieben und die, die draußen sind, ihn hassen".

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Ich halte auch nicht viel von Leuten wie Putin, Trump, Erdogan oder Xi Jinping. Sie sind keine Freunde von Demokratie, Menschenrechten oder Pressefreiheit, und manche ihrer Eskapaden lassen einen verzweifeln. Das Problem ist nur: Diese Herren sind an der Macht, sie lassen sich nicht wegzaubern.
Es gibt im Englischen einen Witz. Der geht so: "Wo sitzt der 800-Pfund-Gorilla?" "Überall. Er sitzt, wo er will." Weil er die Kraft dazu hat, und keiner an ihm vorbeikommt.
So ähnlich ist das mit den G20. Dort sitzen viele 800-Pfund-Gorillas. Sie sind zu wichtig, um sie zu ignorieren. Wir müssen mit ihnen irgendwie auskommen, und das geht am besten über eine solche Runde. Dort sind die Staatschefs unter ihres Gleichen, sie können nicht ausweichen, und manchmal entsteht eine Dynamik, die die Welt verändert. Wie im Jahr 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als die Runde einiges vereinbarte, um Banken und Finanzmärkte zu bändigen. Vieles davon fand sich später in Gesetzen in den USA oder in Deutschland.
Putin trifft Trump - ein Moment, der die G20 ausmacht
Das Treffen in Hamburg wird nicht so weitreichende Folgen haben. Der größte Erfolg ist ohnehin, dass die Runde nicht auseinandergebrochen ist. Diese Gefahr bestand, denn der Rüpel Trump denkt nur an sich. Ein Ende der G20 hätte seine Sicht bestätigt, die Welt als eine Bühne der Gladiatoren, wo jeder gegen jeden kämpft. Doch im Abschlusskommuniqué heißt es: "Durch gemeinsames Handeln erreichen wir mehr als allein."
Ein weiterer Erfolg waren die einzelnen Treffen zwischen Erdogan und Putin, zwischen Japanern und Chinesen, zwischen Merkel, Macron und Putin, und vor allem zwischen Putin und Trump. Ihr Gespräch dauerte mehr als zwei Stunden, viel länger als geplant, und nicht einmal Melanie Trump schaffte es, die beiden zu trennen. Es war ein Moment, der die G20 ausmacht. Man lernt sich kennen, redet, sucht nach Gemeinsamkeiten.
Es gibt noch einige, kleinere Erfolge. Den Streit um den Freihandel haben die Politiker gemildert. Trump drohte vorher damit, Strafzölle auf europäischen Stahl zu erheben, was deutsche Firmen getroffen hätte. Viele europäische Firmen sind auch sauer, wie die Chinesen Europa mit billigem Stahl überschwemmen. In den letzten Wochen roch es bereits nach Handelskrieg. Der ist jetzt vertagt worden, eine G20-Kommission soll eine gemeinschaftliche Lösung entwickeln. Selbst in der Klimapolitik ist nicht alles verloren. Die USA wollen zwar weiter aus dem Pariser Abkommen aussteigen, mit dem die Staaten die Erderwärmung stoppen wollen. Nur: Sie sind die einzigen. Kein anderes Land ist ihnen gefolgt, doch das hatten viele vorher befürchtet. Stattdessen erklären die "übrigen G20, dass das Übereinkommen von Paris unumkehrbar ist", heißt es in dem Kommuniqué. Die Kanzlerin hat Trump seine Grenzen aufgezeigt, und der Donald hat es sogar gemerkt, er lobte ihre Führung als "absolut inspirierend".
Zugegeben: Für viele werden die Ergebnisse dünn wirken. Sie erinnern sich, wie in Hamburg Autos brannten und Geschäfte geplündert wurden, sie fragen sich, nach dem Sinn des Ganzen. Die Antwort ist einfach. Zu den G20-Treffen gibt es keine Alternative. Die Mächtigen müssen ein Ort haben, wo sie sich begegnen. Auge in Auge. Die 800-Pfund-Gorillas unter sich. Die Proteste dagegen muss eine Demokratie aushalten. Die Welt ist halt kompliziert, und die internationale Runde beweist es jedes Mal aufs Neue. Deshalb mag ich die G20.