Grünen-Parteitag in Berlin Steuerkonzept beschlossen - Kretschmann isoliert

Fest steht: Kommen die Grünen an die Regierung, wird es teuer. Vor allem für sehr gut Verdienende. Weil das seine Wähler sind, schlug der grüne Ministerpräsident Kretschmann Krawall - ohne Erfolg.

Was hatten sie sich im Vorfeld des Parteitags über Winfried Kretschmann geärgert. Der grüne Ministerpräsident aus Baden-Württemberg hatte der Parteiführung einen Brief geschrieben - der, wohl nicht zufällig, seinen Weg in die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" fand. Er distanzierte sich darin von der im Wahlprogramm geplanten Steuerpolitik. Mehr als zwei Steuern ließen sich pro Legislaturperiode nicht erhöhen, hieß es. Und als wäre das nicht Provokation genug, garnierte Kretschmann seinen Äußerungen auch noch mit einer klassischen CDU-Formel: Die Partei solle "Maß und Mitte" halten. Jürgen Trittin, grüner Spitzenkandidat und Vordenker des linken Flügels, soll auf internen Gremiensitzungen getobt haben. Er hatte das Steuerkonzept des Wahlprogramms maßgeblich geprägt.

Nun, nach der aktuellen Beschlusslage auf dem Grünen-Parteitag im Berliner Velodrom, ist klar: Kretschmann hat nur eine Pirouette für seine Wähler im Ländle gedreht. Er hat ihnen kommuniziert: Ich bin bei Euch, ich will nicht, dass ihr nach der Bundestagswahl bluten müsst. Einen Effekt auf das Wahlprogramm hatte Kretschmanns Protest nicht. Die Delegierten nickten am Samstagvormittag das gesamte Paket ab: die Erhöhung von Spitzensteuersatz, Erbschaftssteuer und Kapitalsteuern, die Einführung einer Vermögensabgabe, die Streichung von verminderten Mehrwertsteuersätzen und so weiter, und so fort.

Reicher Süden müsste bluten

Alle diese Maßnahmen - und das betont die Parteiführung gebetsmühlenartig - treffen in Summe nicht die breite Masse der Normalverdiener. Sondern eben nur Menschen, die gut im Futter stehen, also zum Beispiel jene, die mehr als 80.000 Euro Einkommen pro Jahr versteuern (Spitzensteuersatz) oder mehr als eine Million Euro Nettovermögen (Vermögensabgabe) besitzen. Solche Menschen gibt es in Baden-Württemberg sehr viele. In Berlin und andernorts eher wenige. Das erklärt Kretschmanns Kritik. Und den Zorn der Parteilinken darüber.

Klar ist, dass alle grünen Landesverbände unterschiedliche Interessen haben, je nachdem, in welchem Bundesland sie zuhause sind. Ab 2019 greift die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, gleichzeitig laufen der bisherige Länderfinanzausgleich und der Soli aus. Manche Länder zittern schon vor den Löchern, die das in ihre Haushalte reißen wird. Wer also in Schleswig-Holstein sitzt, muss auf jeden Cent Mehreinnahme schielen. Wer in Bayern sitzt, hat das nicht nötig. Im Konflikt Kretschmann-Trittin spiegelt sich also nicht nur die übliche Realo-Linken-Kontroverse. Sondern auch das Wohlstandsgefälle in der Bundesrepublik. Der arme Norden hat andere Bedürfnisse als der reiche Süden.

Winfried Kretschmann wird am Sonntag, zum Abschluss des Parteitags im Velodrom, eine große Rede halten. Die Botschaften, die Parteitag bisher ausgesendet hat, sind nicht seine: Schwarz-Grün ist igitt und Umverteilung okay. Er wird ein interessanter Auftritt werden.