Grundgesetzänderung Jung will Geiseln künftig mit Soldaten befreien

Kaum ist die "Hansa Stavanger" wieder in Sicherheit, nutzt Verteidigungsminister Jung den Fall für den Wahlkampf. Er schlägt eine Änderung des Grundgesetzes vor, damit Bundeswehrsoldaten künftig deutsche Geiseln im Ausland befreien dürfen.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung will die Bundeswehr künftig auch bei Geiselbefreiungen einsetzen. Bislang ist hierfür die Polizei zuständig. "Wir sollten über eine Verfassungsänderung nachdenken, die der Bundeswehr den Zugriff dann ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". Dies könne beispielsweise der Fall sein, wenn die Polizei gar nicht am Ort des Geschehens sei.

Spätestens nach der Bundestagswahl wolle er dieses Thema wieder auf die Tagesordnung setzen, betonte Jung. Als Beispiel führt Jung die Entwicklung auf der Hansa Stavanger an. Bis die Polizei am Horn von Afrika einsatzfähig gewesen sei, habe sich die Lage längst verschärft: "Erst gab es auf der Hansa Stavanger fünf Piraten. Später waren es bis zu 35 Piraten, und die Lage wurde viel schwieriger", betonte er. Der Minister kündigte an, die Diskussion über eine Grundgesetzänderung nicht nur mit Blick auf Einsätze im Ausland führen zu wollen, "sondern auch mit Blick auf bestimmte Situationen im Innern".

"Deutsche Reeder sollten in Deutschland Abgaben zahlen"

In dem Interview fordert der Verteidigungsminister die deutschen Reeder zudem auf, ihre Schiffe unter deutscher Flagge fahren zu lassen und ihre Abgaben in Deutschland zu zahlen, wenn sie deutschen Schutz erwarten. "Viele Schiffe gehören zwar einer deutschen Reederei, fahren aber nicht unter deutscher Flagge", sagte Jung. Das ärgere ihn. "Deutsche Reeder, die deutschen Schutz erwarten, sollten auch in Deutschland ihre Abgaben zahlen", so der Verteidigungsminister.

Ferner wies Jung Forderungen des neuen Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen nach einem stärkeren Engagement in Afghanistan zurück. Es gebe keinen Grund, "noch mehr Geld oder Truppen zur Verfügung zu stellen", sagte der Minister. Der Afghanistan-Einsatz werde seiner Einschätzung nach noch "mindestens fünf bis zehn Jahre" dauern. Auch der frühere Minister und heutige SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach vor kurzem von zehn Jahren.

Rasmussen hatte am Freitag weitere Truppen für den Afghanistan-Einsatz gefordert. Die jüngsten Erfolge gegen die Aufständischen im Süden Afghanistans seien erst durch die Verstärkung der Truppen in dem Bereich möglich geworden, sagte er zu Begründung.

"Ich bete täglich für unsere Soldaten"

Jung wies darauf hin, dass Deutschland sein Truppenkontingent schon auf 4500 Soldaten plus 300 für den Awacs-Einsatz aufgestockt habe. Außerdem zahle Berlin 200 Millionen Euro im Jahr. "Insofern kann sich Deutschland sehen lassen", so der Verteidigungsminister.

Jung zeigte sich "persönlich tief betroffen" von den Benachrichtigungen über gefallene deutsche Soldaten. "Das sind die schwersten Gänge, die man zu gehen hat. Wenn Ihnen ein Vater sagt, das war mein einziger Sohn, in den ich meine ganze Hoffnung gesetzt habe, oder eine Mutter mit ihrem Kind alleine da steht, dann werden Sie das ein Leben lang nicht vergessen." Jung fügte hinzu: "Ich bete täglich für unsere Soldaten."

Der Bundeswehr zufolge sind in Afghanistan bislang 16 Soldaten bei Gefechten oder Anschlägen gefallen, 109 wurden verwundet.

DPA
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