Der Bundestag kann das von der Ampel-Koalition beschlossene Heizungsgesetz nicht wie geplant vor der Sommerpause verabschieden. Das Bundesverfassungsgericht gab am Mittwoch einem Eilantrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann gegen das Gesetzgebungsverfahren statt. Die Karlsruher Richter gaben dem Parlament auf, die zweite und dritte Lesung des von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurfs zu verschieben.
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) nannte die Entscheidung eine "schwere Niederlage" für die Bundesregierung.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte in der Begründung der Entscheidung, es liege "auf der Hand", dass die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zum GEG die vom Grundgesetz garantierten Beteiligungsrechte des Abgeordneten "möglicherweise" verletzen könne.
"Für die Ampel gerät die letzte Woche vor der Sommerpause zum Fiasko"
Ende Juni hatte sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach wochenlangem Streit auf letzte Details des Heizungsgesetzes geeinigt. Der Gesetzentwurf sollte eigentlich noch in dieser Woche in der letzten regulären Sitzung des Parlaments vor der Sommerpause endgültig verabschiedet werden. Im Vergleich zum ursprünglich ins Parlament eingebrachten Entwurf gab es allerdings deutliche Änderungen.
So kommentieren die deutschen Zeitungen die Entscheidung aus Karlsruhe zum Heizungsgesetz:
"Handelsblatt": "Der Knall aus Karlsruhe wird SPD, Grüne und FDP in eine unruhige Sommerpause begleiten. Dass die obersten Richter mit fünf Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen ein so emotional aufgeladenes Gesetz ausbremsen, ist einmalig in der Rechtsgeschichte. Die Union sollte jedoch nicht zu laut jubeln. Immerhin war es ein einzelner CDU-Abgeordneter, der sich seiner Beteiligungsrechte beraubt sah und diesen Erfolg errungen hat. (…)
So kommt es nun auf die Fliehkräfte in der Koalition an und die Frage, wer sich noch hinter dieses komplett misslungene Gesetzesvorhaben stellt. Man würde der Regierung am liebsten zurufen, das Gesetz in seiner jetzigen Form einzustampfen und sich noch einmal an die Arbeit zu machen."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Die Ampel-Koalition hat den Schweinsgalopp zu ihrem Rhythmus gemacht. Ein Tempolimit wird nur für Autobahnen erwogen, nicht für die parlamentarische Arbeit. Wahlrechtsreform, Sterbehilfe, Gebäudeenergiegesetz. Zweifellos sind die wesentlichen Grundfragen seit langem bekannt; aber umfangreiche Änderungen kurz vor Toresschluss sind keine Marginalien. Auch sie müssen beraten und damit auch verantwortet werden. Weder die Zeitenwende noch die Komplexität der Materie noch die schwierige Konstellation noch die bevorstehende Sommerpause können als Ausreden dienen."

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"Bild": "Jetzt stehen SPD, Grüne und FDP völlig blamiert da. Ausgerechnet den Parteien, die stets auf gegenseitigen Respekt und Bürgerrechte pochen, halten die Bürgervertreter in Karlsruhe den Spiegel vor. Den Spiegel des Versagens. Dem Klimaschutz erweist die Ampel ganz nebenbei auch noch einen Bärendienst. Wer soll bei dieser Stümperei eigentlich noch glauben, dass sie es wirklich ernst damit meint?
Eine Zäsur für die Regierung von Kanzler Scholz! Sie kann nicht weitermachen wie bisher. Einziger Ausweg: Sie muss sich in den nächsten Monaten neu ausrichten. Mit dem obersten Ziel: nachvollziehbare, faire und verlässliche Politik zu machen. Dazu gehört auch: Beim Heiz-Gesetz nichts mehr zu überstürzen. Keine Sondersitzung in der Sommerpause!"
"Redaktionsnetzwerk Deutschland": "Das ist eine Klatsche für die Ampelkoalition, die sich mit ständigen Fristverkürzungen und der Ablehnung des Warburg-Untersuchungsausschusses über die Gepflogenheiten des Parlamentarismus hinwegsetzt.
Die Notbremsung durch das Verfassungsgericht sollte für die Ampel Anlass sein, einmal innezuhalten und einen selbstkritischen Blick darauf zu werfen, was man der Bevölkerung und dem demokratischen System zumutet. Da wird monatelang um ein Gesetz gestritten, immer wieder eine Einigung verkündet, um dann weiter zu zanken. Die Bevölkerung verunsichert das Hin und Her zutiefst. Es geht für viele Hausbesitzer und Mieter um zusätzliche Kosten, bei denen viele Menschen fürchten, sie schlicht nicht schultern zu können. (…)
Für die Ampel gerät die letzte Woche vor der Sommerpause zum Fiasko. Sie sollte die kommenden Wochen zur Neuaufstellung nutzen: Weniger Beschäftigung mit sich selbst, mehr wahrnehmen, was eigentlich in der Bevölkerung los ist. Und ein bisschen weniger Arroganz der Macht könnte auch nicht schaden."
"Tagesspiegel": "Die Mitteilung, die das Bundesverfassungsgericht am Mittwochabend verschickt, ist eine Ohrfeige, um die die Ampel geradezu gebettelt hat. Nach Monaten des Streits über das Heizungsgesetz wollten SPD, Grüne und FDP in wenigen Tagen ihren mühsam errungen Kompromiss durch das Parlament peitschen. Innerhalb einer Woche sollte der Entwurf durch Anhörung, Bundestag und Bundesrat. Augen und Ohren zu und durch - und dann in die Sommerpause. Gut, dass die Richter in Karlsruhe nun auf die Vollbremse treten und dieses unnötig schnelle Verfahren stoppen. (…)
Doch nun zerstört die Ampel weiter das Vertrauen in ihre eigene Arbeit. Schon jetzt sind ihre Werte im Keller. Von Streit und Stümperei profitiert nur die AfD. Statt entspannt in die Ferien zu fahren, droht der Ampel nun ein heißer Sommer."
"Augsburger Allgemeine": "Dass Robert Habeck mit seinem Heizungsgesetz zu scheitern droht, liegt – wie vielfach kommentiert – nicht nur daran, dass selbiges im Wirtschaftsministerium mit heißer Nadel gestrickt worden war. Aber es gehört zur Wahrheit, dass es besser gewesen wäre, nicht zu versuchen, ein Projekt, das sich massiv auf große Teile der Bevölkerung auswirkt, im Eiltempo durchzupauken. Die schnellsten Antworten sind selten die besten."
"Westdeutsche Allgemeine Zeitung": "Es ist ein Paukenschlag – und sicher einer der bittersten Momente in der Regierungszeit von Olaf Scholz und seiner Ampel-Koalition: Quasi in letzter Minute hat das Bundesverfassungsgericht die Abstimmung über das umstrittene Heizungsgesetz gekippt. Am Freitag wollte die Koalition mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP die neuen Regelungen zum Klimaschutz im Gebäudebereich verabschieden – daraus wird nun erstmal nichts. (…)
Das Stoppschild aus Karlsruhe ist gleichzeitig ein Triumph für CDU-Chef Friedrich Merz, der postwendend die Ampel aufforderte, das Urteil aus Karlsruhe zum Innehalten zu nutzen. Und die Niederlage zur Umkehr zu nutzen. Für Merz ist der Richterspruch ein politischer Booster: Mit dem erfolgreichen Eilantrag hat die CDU jetzt schon ein unschlagbares Argument für alle künftigen Wahlkämpfe in der Tasche. Motto: Die Ampel kann's nicht, das sagt sogar das oberste Gericht. Ein unschlagbares Argument, und auch noch juristisch wasserdicht."
"Rheinische Post": "Es ist ein Rückschlag für die Ampel-Fraktionen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Das Ziel war, das Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, damit die Debatte über das umstrittene Gesetz nicht noch das politische Thema des Sommers wird. Der Tadel aus Karlsruhe ist verdient. Bis zum vergangenen Freitag lag kein Gesetzentwurf vor, es gab lange Zeit nur Leitplanken. Die Verbände hatten nur ein Wochenende Zeit für eine Einarbeitung vor der Anhörung. Die Opposition hat sich zu Recht beschwert. Karlsruhe hat die Rechte der Parlamentarier mit seiner Entscheidung gestärkt."
"Welt": "Die Maßregelung des Bundesverfassungsgerichts haben sich SPD, Grüne und FDP mithin redlich verdient. Die drei Partner nehmen gern für sich in Anspruch, gesellschaftliche Konflikte durch ihre Auseinandersetzungen in der Regierung quasi stellvertretend auszutragen. Was sie vergessen zu haben scheinen: Der Ort dafür ist nicht der Koalitionsausschuss, ist nicht das Kabinett und sind auch keine Verhandlungen der Fraktionsexperten hinter verschlossenen Türen. Der Ort dafür ist das Parlament, mit seinen Ausschüssen und dem Plenum."