Hohmann-Debatte Die Entgleisung des "verwirrten" Elitegenerals

Der Chef des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) muss gehen: Brigadegeneral Reinhard Günzel ist aus seinem Amt entlassen worden.

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) machte kurzen Prozess. Nicht länger als zweieinhalb Stunden dauerte es, bis im Bendlerblock an der Stauffenbergstraße entschieden war: Brigadegeneral Reinhard Günzel (59), Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK), muss gehen. Wenig später trat Struck vor die Journalisten und beschied: "Es handelt sich um einen einzelnen verwirrten General, der einem noch verwirrteren CDU-Abgeordneten aufgesessen ist."

Die harten Worte illustrieren das Entsetzen, das die politischen und militärischen Verantwortlichen ergriff, als ihnen klar wurde, dass die Affäre um den CDU-Abgeordneten Martin Hohmann plötzlich auf einen der prominentesten Generale Deutschlands übergeschwappt war.

"Eine ausgezeichnete Ansprache"

Und der hatte sich ganz begeistert gezeigt: "Eine ausgezeichnete Ansprache - wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf - wie man sie mit diesem Mut zur Wahrheit und Klarheit in unserem Land nur noch selten hört und liest."

Der Chef des in Calw stationierten KSK schrieb weiter, mit seinen Gedanken habe er "der Mehrheit unseres Volkes eindeutig aus der Seele" gesprochen. Der Offizier forderte Hohmann zum Durchhalten auf. Er solle "sich durch Anwürfe aus dem vorwiegend linken Lager nicht beirren lassen und mutig weiterhin Kurs halten". Hohmann war es, der dieses Lob bekannt machte, als er selbst unter Druck geriet - und damit den Sturz seines Gesinnungsgenossen Günzel einleitete.

Fallschirmjäger Günzel, zu dessen Hobbies laut "Handbuch der Bundeswehr" Geschichte gehört, hat nicht zum ersten Mal mangelndes Gespür fürs Politische erkennen lassen. Im November 2001, ein Jahr nach seiner Ernennung zum Chef des Elite-Kommandos Spezialkräfte, erregte er den Unwillen von Struck-Vorgänger Rudolf Scharping. Damals hatte er in einem Interview gesagt, beim Versuch, den Terrorplaner Osama Bin Laden festzunehmen, könne es ein "Blutbad" geben und von einer veränderten Risikobereitschaft der Politiker gesprochen: "Wenn es künftig darum geht, das Leben von Tausenden zu retten, wird wohl eher der Tod von speziell zur Terrorismusbekämpfung ausgebildeten Soldaten in Kauf genommen." Scharping sprach damals von einem "fahrlässigen Interview" Günzels.

Einstweiliger Ruhestand als einzige mögliche Antwort

Strucks Berater waren sich bei Durchsicht der Hohmann-Rede und des Günzel-Briefs rasch einig, dass der Einstweilige Ruhestand die einzige mögliche Antwort war. Denn zwar gilt das Grundgesetz mit der Garantie der Meinungsfreiheit grundsätzlich für alle - Soldaten müssen jedoch eine ganze Reihe von Einschränkungen durch das Soldatengesetz hinnehmen, solange sie im aktiven Dienst sind. Unter anderem gibt es die Pflicht, für den verfassungsmäßigen Auftrag der Bundeswehr einzutreten, die demokratische Grundordnung anzuerkennen und zu schützen, sich bei Äußerungen zurückzuhalten und die Gehorsambereitschaft der Untergebenen nicht zu beeinträchtigen und beispielsweise auch das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit nicht zu schädigen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Strucks rasches Handeln wird in Berlin als deutlicher Hinweis gesehen, dass die Bundesregierung entschlossen ist, den Primat der Politik in den Streitkräften durchzusetzen. Und dass vor allem kein Anschein entstehen soll, als gebe es eine Nähe zwischen Bundeswehr und rechter oder gar antisemitischer Gesinnung. Vor allem nicht zu Zeiten, in denen die Bundeswehr zunehmend im Ausland die deutsche Flagge zeigt. Günzel wird künftig viel Zeit für sein Hobby Geschichte haben. Am kommenden Montag sollte er vor der Deutschen Atlantischen Gesellschaft in Mainz zum Thema "Kommando Spezialkräfte im Einsatz" sprechen. Nun hat er wohl den Abend frei.

Reinhard Günzel - ein kritikfreudiger Elitegeneral

Wenn Brigade-General Reinhard Günzel Interviews gab oder zitiert wurde, gab es "immer Probleme". So heißt es in der Bundeswehr. Nach außen "immer top korrekt" mit Sensibilität für die innere Führung des hoch angesehenen KSK - so wird der durchtrainierte General mit dem hageren Gesicht beschrieben. Seinen eigenen Kern habe der General, Träger des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold, aber tief in sich eingegraben, heißt es. Im Zweifel stehe Günzel aber immer hinter seiner Aussage.

Für Aufsehen hatte Günzel schon mehrmals mit markigen Äußerungen gesorgt - zuletzt nach den Terroranschlägen gegen die USA vom 11. September 2001. Eine Festnahme des Terrordrahtziehers Osama Bin Laden, so gab er bei "Spiegel online" zu Protokoll, würde ein "Blutbad" geben. Und weiter: Wenn es künftig darum gehe, das Leben von Tausenden zu retten, werde "wohl eher der Tod von speziell zur Terrorismusbekämpfung ausgebildeten Soldaten in Kauf genommen".

Angekratztes Image bei der Truppe

Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) reagierte gereizt auf so viel Offenheit, durch die ein gewaltiger Druck auf die Soldaten-Familien aufgebaut worden sei. Günzels Image bei der Truppe war damit angekratzt, seine Äußerungen wurden aber noch als Ausrutscher bewertet.

Günzel wurde am 5. Juni 1944 in Den Haag geboren. Vor 30 Jahren rückte er in Lenbach im Schwarzwald zu den Fallschirmjägern ein. Zugführer, technischer Offizier, Kompaniechef, Lehrstabsoffizier - eine klassische Militärkarriere. Günzel gilt als Mann der Truppe, bei der NATO oder im Ministerium war er nie. Im November 2000 wurde er Kommandeur der in Calw stationierten KSK-Einheit.

Der Einsatz der KSK-Soldaten wird grundsätzlich geheim gehalten. Nur spärlich drangen Informationen vom KSK-Auftrag in Afghanistan an die Öffentlichkeit. Rund 100 deutsche KSK-Soldaten spürten am Hindukusch Seite an Seite mit US-Soldaten Reste von El Kaida- und Talibankämpfern auf. Erst kürzlich sollen sie zurückgekehrt sein. Günzel hatte den KSK-Einsatz in Afghanistan gar nicht gewollt. Die Amerikaner brauchten die "die besten Soldaten Deutschlands" doch gar nicht, meinte er damals.

DPA
Dieter Ebeling und Dorothea Hülsmeier

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos

Mehr zum Thema