Hubertus Heil Brückenbauer mit Handicap

  • von Hans Peter Schütz
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil ist auf heikler Mission: Er muss zwischen den verfeindeten Flügeln der Partei vermitteln. Vor allem aber soll Heil die Partei im zermürbenden Fall Wolfgang Clement besänftigen. Dabei befindet sich der Senkrechtstarter selbst im Visier der Linken.

Max Weber ist immer gut, wenn man was Kluges sagen muss, aber nichts Genaues sagen darf. Also zitiert der studierte Soziologe Hubertus Heil den Soziologenvater Weber. Der habe einmal gesagt, ein Politiker brauche zwei Dinge, Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Das flüstert vermutlich die Leidenschaft ihm zu, als Heil vergangenen Montag den Journalisten erklären muss, wie die SPD aus einem absurden internen Grabenkrieg ohne Totalschaden wieder herauskommen will. Denn natürlich darf der SPD-Generalsekretär an diesem Tag nicht sagen, was er vermutlich denkt: Die SPD wäre verrückt, wenn sie den Wolfgang Clement rausschmeißt. Das Augenmaß drängt ihn daher zu dem Satz, jetzt gelte es Brücken zu bauen. Da müsse Clement drauf, aber auch seine Parteifeinde.

Nur ein einziges kleines Lächeln leistete sich Heil, der gerne lächelt, in dieser Stunde. Vermutlich eine der schwersten Stunden, die er bislang als SPD-Generalsekretär aushalten musste. Was einiges heißt. Denn so schwer wie der bisher Jüngste in diesem Parteiamt hat es keiner seiner Vorgänger gehabt.

Gewählt mit miserablen 61,7 Prozent

Drangekommen an den Job ist der 36-Jährige nur, weil er daran beteiligt war, Franz Müntefering als SPD-Chef abzuschießen. Denn er hatte sich eifrig darum bemüht, den Wunschkandidaten von "Münte", Kajo Wasserhövel, als Generalsekretär zu verhindern und die SPD-Linke Andrea Nahles in das Amt zu hieven. Müntefering trat ab, Nahles nicht an und sein Kurzzeit-Nachfolger Matthias Platzeck ließ Heil antreten. Gewählt wurde er im November 2005 mit dem miserablen Ergebnis von 61,7 Prozent. Schlechter ist noch nie einer ins Amt des Generalsekretärs gekommen, der früher praktisch der zweite Mann hinter dem jeweiligen SPD-Boss und vor seinen Stellvertretern war. Als Platzeck ruckzuck wieder weg war, durfte - musste? - Heil unterm Nachfolger Kurt Beck bleiben, obwohl er zu dessen Stil und Politik nur bedingt passt.

Seither ist er damit beschäftigt, die SPD halbwegs heil durch die schwerste Krise der Nachkriegszeit zu bringen. Der rechte SPD-Flügel knüppelt gegen den linken. Die Mitglieder laufen weg oder über zur Linkspartei. Nicht einmal die Parteimitglieder halten Kurt Beck für vorzeigbar, schwärmen lieber für Angela Merkel. Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll den SPD-Kanzlerkandidaten machen, kann sich aber nicht sicher sein, ob ihn die Parteilinken nicht in eine aussichtlose Kandidatur locken und nach einer Schlappe bei der Bundestagswahl 2009 endgültig die Macht in der Partei übernehmen wollen. Das ist genau die Situation die Heil im Auge hatte, als er einmal über die Gefahren eines politischen Amts philosophierte und sagte: "Die Gefahr, zum Arschloch zu mutieren, ist immer da."

SPD-Führung leugnet Richtungsstreit

Im Zusammenhang mit der Clement-Affäre ist sie sogar riesengroß. Heil soll jetzt als Bevollmächtigter der SPD-Spitze deren Interessen in der Bundesschiedskommission vertreten. Dort mit abstimmen darf er nicht. Clement lehnt bisher strikt eine Entschuldigung dafür ab, dass er bei der Hessenwahl vor der Wahl der linken Andrea Ypsilanti gewarnt hat. Stur wie er ist, wird er dabei bleiben. Seine Gegner in der SPD nennen ihn dafür "Graf Rotz" und schlimmeres. Die SPD-Führung leugnet dennoch hartnäckig, dass hier ein Richtungsstreit in der SPD tobt. Zwischen den Verteidigern der Agenda 2010 Gerhard Schröders und jenen, die aus dieser Politik aussteigen wollen, indem sie ihre "Weiterentwicklung" betreiben.

Und Heil sitzt mitten Chaos dieses innerparteilichen Machtkampfs. Die Linken verdächtigen ihn, für Agenda-2010-Erfinder Frank-Walter Steinmeier zu arbeiten. Viele erinnern sich, dass "Hubi", wie sie ihn nennen, zu den Amtszeiten von Clement diesen als Superminister für Wirtschaft und Arbeit durchaus bewundert hat. Manche nennen ihn einen "grundsatzlosen Ehrgeizling", der immer nur seine Karriere betreibe - siehe seine Rolle beim Sturz von Müntefering, obwohl der ihn damals bat, für Platzeck anzutreten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Schwere Wochen für den Senkrechtstarter

Es warten schwere Wochen auf den Mann, der durchaus den Titel Senkrechtstarter verdient. Mit 16 ging der im Willy-Willy-Jahr 1972 geborene und vaterlos aufgewachsene junge Mann in die SPD. Mit 25 schaffte der studierte Politikwissenschaftler und Soziologe den Sprung in den Bundestag. 2005 holte er im niedersächsischen Wahlkreis Gifhorn-Peine stolze 51,1 Prozent der Erststimmen. Seine Entdeckerin, die niedersächsische Unterbezirksvorsitzende Eva Schlaugast gab ihm schon früh weit reichenden Rat: "Hubi paß auf dich auf, du sollst mal Kanzler werden."

Er gehört in der Tat neben Sigmar Gabriel zu den wenigen jüngeren SPD-Politikern, deren Talent für hohe Führungsämter unbestritten ist. Rein optisch gibt er keinen geborenen Wadenbeißer ab. Stets präsentiert er sich mit korrektem dunklem Jackett und roter Krawatte. Er verstünde sich schon auf mehr Biss gegen die politische Konkurrenz. Von ihm stammt schließlich der Satz: In der Großen Koalition malocht die SPD im Maschinenraum, auf dem Sonnendeck fläzt sich die CDU. Aber natürlich setzt ihm das Bündnis mit der CDU/CSU Grenzen bei der politischen Attacke.

Opponieren zum Schaden der Partei

Sein SPD-internes Problem besteht darin, dass Heil 1999 zu den Gründern des so genannten "Netzwerks" gehörte. Diese Gruppierung jüngerer SPD-Abgeordneter steht zwischen den rechten "Seeheimern" und der "Parlamentarischen Linken." Spitzengenossen wie Steinmeier oder Peer Steinbrück schätzen das Netzwerk. Heil ist bis heute neben Gabriel einer der führenden Köpfe der Gruppierung, dem rund 50 Abgeordnete angehören. Sie gibt die Zeitschrift "Berliner Republik" heraus. Und deren Chefredakteur Tobias Dürr veröffentlichte dieser Tage einen eindeutigen Artikel, wie das Herz der Netzwerker im Fall Clement schlägt. Zu Schröders Zeiten, so Dürr, sei den Linken wie Andrea Nahles oder dem bayerischen SPD-Landesgruppenchef Florian Pronold nie ein Haar gekrümmt worden. Sehr zum Schaden der Partei hätten sie jederzeit "opponieren und intrigieren dürfen, wie sie gerade lustig waren." Widerwärtig sei das gewesen. Aber niemand habe diese Leute aus der SPD werfen wollen.

Die Linken in der SPD haben das mit Ingrimm gelesen. Jetzt maulen sie, dass vom Netzwerk das von Heil im Zusammenhang mit Clement tapfer verteidigte Grundrecht der Meinungsfreiheit so beleidigend wohl nicht ausgeübt werden dürfe. Und schon kursiert bei den Linken auch wieder die Frage, ob einem wie Heil tatsächlich die Wahlkampfführung 2009 anvertraut werden dürfe. Das laufe dann garantiert auf eine klare Fortsetzung des Agenda 2010-Kurses hinaus.

Heil könnte darauf jetzt wieder mit Max Weber antworten. Denn der hat auch einmal gesagt, entscheidend für den Politiker seien drei Qualitäten: "Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß." Und daran orientiere er sich, am Verantwortungsgefühl fürs Ganze. Ratsam wäre für Heil freilich, wenn er - ein erstklassiger Stimmenimitator - das dann nicht im Gerhard-Schröder-Ton vorträgt.

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