K-Kandidaten sprachen nach ihr Merkel nutzt ihre (wohl) letzte Regierungserklärung, um eine stärkere EU zu fordern

Regierungserklärung der Kanzlerin: Merkels vermutlich letzte Rede im Bundestag: "Wir bewegen uns immer noch auf dünnem Eis"
© Getty Images
Sehen Sie im Video: Merkels vermutlich letzte Rede im Bundestag – "Wir bewegen uns immer noch auf dünnem Eis".




Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Doch auch, wenn es Grund zur Zuversicht gibt, vorbei ist die Pandemie noch nicht und schon gar nicht in den armen Ländern dieser Welt. Aber auch wir in Deutschland und Europa bewegen uns immer noch auf dünnem Eis. Wir müssen weiter wachsam bleiben. Besonders neu aufkommende Virus-Varianten, jetzt vor allem die Delta Variante, mahnen uns weiterhin zur Vorsicht.” // “Und deswegen bleibt es auch notwendig, dass wir die Anstrengungen hinsichtlich unserer Verteidigungsausgaben konsequent fortsetzen, um unsere Bündnisverpflichtungen und unserer Sicherheitsverantwortung für unser Land und Europa nachkommen zu können.”
Kanzlerin Merkel appellierte in ihrer wahrscheinlich letzten Regierungserklärung für eine Stärkung der europäischen Handlungsfähigkeit. Doch die Hauptaufmerksamkeit lag auf ihren Nachfolgerednern.

Es wird wohl ihre letzte Regierungserklärung im Bundestag gewesen sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte in ihrer Rede am Donnerstag Fehler der Europäischen Union im Kampf gegen Corona ein und forderte Konsequenzen für künftige Krisen. Anlass für die Regierungserklärung war der bevorstehende EU-Gipfel in Brüssel.

Im ersten Corona-Schock hätten nationale Anstrengungen das Handeln bestimmt, bevor europäisch abgestimmt vorgegangen worden sei, so die Kanzlerin. "Wir wissen heute, dass wir das besser können und das auch in Zukunft besser machen werden", sagte Merkel. Wie sie es selbst in Zukunft besser machen wollen, das präsentierten Merkels Nachfolgekandidaten – Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) - hintereinander in der anschließenden Debatte.

Merkel: Europäische Handlungsfähigkeit muss gestärkt werden

In ihrer wahrscheinlich letzten Regierungserklärung forderte Merkel, die Handlungsfähigkeit der EU bei der Krisenreaktion, im Gesundheitsschutz, beim gemeinsamen Binnenmarkt und den Einreiseregeln zu stärken. Merkel kritisierte, dass die EU vor allem bei der Koordination der Reisebeschränkungen massive Defizite habe. "Die Koordinierung der ebenso einschneidenden wie im Wortsinne notwendigen freizügigkeitsbeschränkenden Maßnahmen kam viel zu zögerlich in Gang. Das muss im Falle eines Falles in Zukunft schneller gehen", mahnte sie.

K-Kandidaten sprachen nach ihr: Merkel nutzt ihre (wohl) letzte Regierungserklärung, um eine stärkere EU zu fordern
© Tobias Schwarz / AFP

Abschließend rief die Kanzlerin die EU zu einem gemeinsamen Kurs gegenüber Russland auf. "Denn die Ereignisse der letzten Monate - und nicht nur in Deutschland – haben deutlich gezeigt, dass es nicht reicht, wenn wir auf die Vielzahl russischer Provokationen unkoordiniert reagieren", sagte sie. "Stattdessen müssen wir Mechanismen schaffen, um gemeinsam und geeint auf Provokationen antworten zu können." Nur so werde man lernen, "den hybriden Angriffen Russlands etwas entgegenzusetzen".

Scholz: "Europa bekämpft die Krise gemeinsam"

Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz warb bei seinem Auftritt im Bundestag eindringlich für ein gemeinsames politisches Handeln in Europa. In der Corona-Pandemie habe Europa es "nach anfänglichem Ruckeln" geschafft, eine gemeinsame Antwort zu finden, sagte Scholz. "Alles was dabei rausgekommen ist, ist ein Aufschwung, den wir in Deutschland und Europa haben, ein Aufschwung der wahrscheinlich größer sein wird, als wir ihn heute vorausberechnen können – und das ist das Ergebnis der gemeinsamen Krisenbekämpfung", erklärte der .

Der Bundesfinanzminister verwies dabei unter anderem auf die Kreditaufnahme der EU-Kommission und betonte, dass es in einer Welt mit "bald zehn Milliarden Menschen", die "von vielen starken Mächten" wie den USA und China geprägt sei, nicht möglich sein werde, dass jedes Land allein für sich zurecht komme. "Europa bekämpft die Krise gemeinsam", sagte Scholz.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Laschet: "Wir brauchen Europa mehr als je zuvor"

Für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet war es die erste Rede im Bundestag seit 23 Jahren - und auch er nutzte diese um für einen stärkeren Zusammenhalt zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu werben. "Es ist eine Lebenseinstellung: Weder von einem tödlichen Virus noch von antieuropäischer Häme und Skepsis und erst recht nicht von Populisten und Nationalisten lassen wir uns dieses Europa kaputtmachen", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident. Richtung AfD sagte Laschet: "Sie schaden deutschen Interessen!"

"Wir brauchen Europa mehr als je zuvor", sagte der CDU-Vorsitzende. Die Welt stehe vor einem "Epochenwechsel". Laschet verwies dabei auf eine "große wirtschaftliche Dynamik" in Asien, ein sich veränderndes internationales Machtgefüge, den Klimawandel, Völkerrechtsbrüche in Europa und Cyberangriffe. "Dazu ist der Nationalstaat alleine zu schwach, um in dieser Welt zu bestehen."

Baerbock: "Erneuern wir das Versprechen in die Zukunft Europas"

Einen neuen europäischen Aufbruch forderte hingegen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. "Erneuern wir das Versprechen in die Zukunft Europas, machen wir es besser", sagte die Grünen-Vorsitzende. In diesem Jahrzehnt gehe es darum, "einen klimagerechten Wohlstand in Europa zu schaffen", so Baerbock. Europa habe mit dem "Green Deal" zwar den richtigen Plan vorgelegt, "aber diesem fehlt der pulsierende Herzschlag", weil die größte Regierung Europas das blockiere. "Mit Pathos und Analyse allein erneuern wir Europas Versprechen nicht", kritisierte die Grünen-Chefin.

Stattdessen müsse Europa so modernisiert werden, "dass wir auf den Märkten der Zukunft klimaneutral eine Chance haben". Dies sei die Grundlage dafür, die Stärke Europas, das soziale Versprechen, die Daseinsvorsorge für alle, im 21. Jahrhundert zu sichern. Es sei zudem der "soziale Kitt", der Europa zusammenhalte - gerade im Wettstreit mit autoritären Regimen. 

Viele Respekt für Merkel – Kritik von Opposition

Mehrere Abgeordnete gingen nach Merkels Regierungserklärung auf die europapolitische Bilanz der Kanzlerin ein. FDP-Chef Christian Lindner sagte, Merkel habe sich "stets uneigennützig in den Dienst Deutschlands und Europas" gestellt. Auch Baerbock würdigte die Leistungen der CDU-Politikerin: "Sehr, sehr viele Menschen in diesem Land sind dankbar dafür, dass Sie in Krisensituationen in den letzten 16 Jahren dieses Europa zusammengehalten haben."

Eine gegenteilige Bilanz von Merkels Kanzlerschaft kam von der AfD: Sie habe Fehlentscheidungen getroffen, "die dieses Land tief gespalten und ihm schweren Schaden auf Jahre und Jahrzehnte hinaus zugefügt haben", sagte Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warf Merkel vor, die EU nicht gestärkt und geeinigt zu haben. "Die Europäische Union, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ist mit dem Ende Ihrer Amtszeit in keinem guten Zustand", sagte er.

Beim zweitägigen EU-Gipfel, der am Nachmittag in Brüssel beginnt, geht es um das Verhältnis der EU zu Russland und zur Türkei sowie die festgefahrene Migrationspolitik der Staatengemeinschaft. Das zentrale Thema wird erneut der Kampf gegen die Corona-Pandemie sein, die Öffnung Europas für Reisen und die wirtschaftliche Erholung.

DPA · AFP
les