Deutsche Konvertiten posieren mit Kalaschnikows im pakistanischen Gebirge und rufen ihre Glaubensbrüder zum heiligen Krieg. Deutsch-Marrokaner sitzen wegen Terrorverdachts in Haftanstalten in Casablanca. Andere warten auf ihre Verurteilung durch deutsche Richter. Oft beginnt ihre Reise in einer kleinen Hinterhof-Moschee deutscher Großstädte. Nicht selten ist fast in Vergessenheit geraten, wie sie zu gefährlichen Islamisten wurden. Terroristen-Nachwuchs made in Germany - damit soll jetzt Schluss sein.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die Muslime in Deutschland zum gemeinsamen Kampf gegen die Radikalisierung junger Menschen durch Islamisten aufgerufen. "Wir treten hier heute gemeinsam den Menschen entgegen, die die Religion für ihre extremistischen Ziele missbrauchen wollen", sagte er am Freitag bei der Eröffnung des von ihm initiierten Präventionsgipfels in Berlin. Friedrichs Ziel: Eine Sicherheitspartnerschaft. Besonders die muslimischen Verbände sollen helfen, ihre Glaubensbrüder vor der Radikalisierung zu schützen. Helfen, präventiv zu beobachten und eng mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Das Internet dient als Rekrutierungsplattform
Eine besondere Gefahr der Radikalisierung gehe vom Internet aus. Dies sei bei dem 21-jährigen Kosovaren so gewesen, der Anfang März am Frankfurter Flughafen zwei amerikanische Soldaten erschossen hatte. Der junge Mann sei in Deutschland aufgewachsen und gehöre keiner Terrorgruppe an. Er radikalisiere sich selbst über einschlägige Propaganda im Internet.
Laut Friedrich fallen in die Zielgruppe der El Kaida „insbesondere deutsche Konvertiten“. Junge Muslime, die in Deutschland in der zweiten oder dritten Migrantengeneration aufgewachsen sind. Auf diese Gruppe müsse gezielter geachtet werden, mahnte er im "ARD-Morgenmagazin“. „Das sind kleine Gruppen, die aber vielleicht in der einen oder anderen Hinsicht innerhalb der Vereine auffallen können.“
Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, kommt laut dem Innenministerium muslimischen Mitbürgern eine große Bedeutung zu. Sie könnten im Privaten, in Vereinen, bei Predigten und Gesprächen radikale Ansichten schon in einem Frühstadium erkennen und stoppen.
In Deutschland bekennt sich nach Angaben des Bundesamtes für Migration jeder Zwanzigste zum Islam. Rund die Hälfte der 3,8 bis 4,3 Millionen Muslime in der Bundesrepublik habe einen deutschen Pass. Laut Friedrich sollten die Muslime jetzt auf der Hut sein und ihre Glaubensbrüder genau beobachten.
Kritiker warnen vor Generalverdacht und Islamfeindlichkeit
Die SPD warf Friedrich vor, die Muslime unter Generalverdacht zu stellen. "Wenn wir gewaltbereite Extremisten isolieren wollen, müssen wir die gemäßigten Muslime stärken und in Deutschland willkommen heißen", forderte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Der Islam gehöre zu Deutschland. Dies habe Friedrich noch immer nicht erkannt. "Friedrich hat damit viel Porzellan zerschlagen. Jetzt muss er die Scherben wieder einsammeln".
Die Linkspartei kritisierte, Friedrich reduziere das Verhältnis des Staates zum Islam weiter auf Sicherheitsaspekte. "Radikalisierungstendenzen unter Muslimen sind jedoch nicht zuletzt Ergebnis der repressiven Integrationspolitik in der Bundesrepublik, wie sie sich genau in solchen Präventionsgipfeln ausdrückt", erklärte die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke.

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Der Zentralrat der Muslime warnte vor einer Vorverurteilung von Muslimen. "Es wäre fatal, wenn die mehr als vier Millionen Muslime in Deutschland unter Generalverdacht gestellt würden", sagte der Ratsvorsitzende Aiman Mazyek der "Schwäbischen Zeitung". "Bei denen, die sich radikalisieren, handelt es sich um eine verschwindend kleine Minderheit." Die Sorge der Muslime sei, dass Islamfeindlichkeit zunehme.
Seinen Amtsantritt besiegelte der Innenminister mit der Äußerung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Jetzt fordert er die muslimische Bevölkerung auf, bei der Terrorabwehr in Deutschland maßgeblich mit zu helfen. Ein Neustart oder reine Politshow? Das wird sich zeigen.