Kapitalismuskritik "Den Worten müssen Taten folgen"

Oskar Lafontaine hat sich in die Debatte über die Wirtschaftskritik von SPD-Chef Müntefering eingeschaltet. Er forderte die SPD zu einem Richtungswechsel auf.

Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat die harsche Kritik von Parteichef Franz Müntefering an der Wirtschaft als überfällig bewertet. Den Worten müssten Taten folgen, forderte Lafontaine am Dienstag in der SR 3 Saarlandwelle. Müntefering habe in der Vergangenheit "die falsche Politik" der SPD-geführten Bundesregierung mitgetragen und den Unternehmen Millioneneinnahmen beschert.

Es bleibe abzuwarten, ob die Debatte auch Änderungen am Kurs der SPD nach sich ziehe. Wenn dies so sei, "dann wäre in der Tat eine neue Linkspartei überflüssig", sagte Lafontaine. Dann würde er "selbstverständlich" auch weiter in der SPD bleiben. Der frühere Parteichef und Bundesfinanzminister hatte wiederholt erklärt, dass er im Falle des Festhaltens der SPD-Führung an ihrem "neoliberalen Kurs" spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen austreten und sich möglicherweise einer neuen Linkspartei anschließen werde.

Arbeitgeber und Unions-Politiker bezeichneten die Kritik, die von SPD-Chef Franz Müntefering begonnen und von führenden SPD-Politikern aufgegriffen worden war, als "außerordentlich schädlich" für den Standort Deutschland. Müntefering hatte in den vergangenen Tagen mehrfach eine "wachsende Macht des Kapitals" kritisiert. Der Staat müsse Rahmen setzen können gegen Unternehmen, die rücksichtslos "rausholen, was rauszuholen ist". Manche Finanzinvestoren "fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter", sagte Müntefering.

"Weitere Polarisierung"

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte am Dienstag, er fürchte um die Fortsetzung des Reformprozesses. "Die Agenda 2010 ist der richtige Weg und sollte dringend fortgesetzt werden." Hundt kritisierte jüngste Forderungen der stellvertretenden SPD-Chefin Ute Vogt, Produkte von Unternehmen, die Stellen abbauen, zu boykottieren. Ein solcher Aufruf führe "zu einer weiteren Polarisierung".

Vogt präzisierte ihre Kritik an Unternehmen, die Jobs abbauen. Sie habe nicht zum Boykott aufgerufen, sagte sie dem Südwestrundfunk. Sie wünsche sich allerdings, dass Käufer das Verhalten von Unternehmen beachteten, wenn diese sich lediglich durch Personalabbau sanierten. Ein Aufruf zum Boykott würde sich nach ihrer Ansicht immer nur konkret gegen einen bestimmten Betrieb richten.

Unterstützung vom DGB

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer unterstützte die Wirtschafts-Kritik von Müntefering. "Der SPD-Vorsitzende hat nur Selbstverständliches ausgesprochen: Die Wirtschaft hat über Jahrzehnte immer neue Geschenke von der Politik eingestrichen - die dafür versprochenen Arbeitsplätze aber nie geliefert."

Die Unionsfraktion im Bundestag bezeichnete Münteferings Äußerungen dagegen als "übles Geschäft mit der Angst der Menschen". Diese "parteipolitisch auszunutzen, ist das moralisch Niederste, was ein Politiker tun kann", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Obergenosse der Bosse"

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos meinte, die SPD verspiele mit der Kritik ihre Glaubwürdigkeit. Es könne nicht angehen, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder den "Obergenossen der Bosse" spiele, während sein Parteichef wegen der drohenden Niederlage in Nordrhein-Westfalen in "Rüpeleien" gegen die Wirtschaft verfalle. Der stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende der FDP, Rainer Brüderle, sagte: "Die SPD sollte schnell wieder zur Vernunft kommen. Sonst landet sie im Karl-Marx-Museum in Trier."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bezeichnete die Kritik als Wahlkampftaktik. Münteferings Rede sei "sozialdemokratische Kampfrhetorik", sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun der "Chemnitzer Freien Presse".

Die SPD hielt dagegen, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung notwendig sei. Der SPD-Linke Michael Müller sagte in der ARD, in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren habe sich weltweit eine Form von Wirtschaft durchgesetzt, "die eine soziale Marktwirtschaft nahezu ausschließt". Von führenden linken Sozialdemokraten hieß es, die SPD habe in den vergangenen Jahren ihren "Vertrauensvorsprung" in der Bevölkerung genutzt, um "unpopuläre Maßnahmen" zur Modernisierung der gesamten Gesellschaft durchzusetzen. Es sei nun an der Zeit, dass die Wirtschaft dies auch mit mehr Arbeitsplätzen honoriere.

DPA
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