Klagen gegen Rettungsschirm und Fiskalpakt Justizministerin erhöht Druck auf Verfassungsrichter

Kritiker wollen den Euro-Rettungsschirm ESM vom deutschen Verfassungsgericht stoppen lassen. Für Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger scheint die Entscheidung bereits gefallen zu sein.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rechnet nicht damit, dass Karlsruhe das Euro-Rettungspaket stoppt. "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit bei einzelnen Gesetzen Leitplanken eingezogen, die Hilfsmaßnahmen grundsätzlich aber nicht beanstandet", sagte die Ministerin der "Passauer Neuen Presse". "Beim ESM und beim Fiskalpakt hat der Gesetzgeber die Konsequenzen aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Lissabon und zur Griechenlandhilfe gezogen", fügte Leutheusser-Schnarrenberger hinzu. Zudem habe der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der "Rheinischen Post": "Die Richter entscheiden zwar nur nach verfassungsrechtlichen Kriterien, aber sie wissen auch, welche außen- und finanzpolitischen Auswirkungen ein kategorisches Nein hätte". Er gehe deshalb davon aus, dass Karlsruhe dem Gesetzgeber kritische Hinweise geben und zu einer "Bis-hierher-und-nicht-weiter-Entscheidung" kommen werde, erläuterte Bosbach. Er gehört zu den 26 Koalitionsabgeordneten, die am vergangenen Freitag gegen den ESM stimmten.

Oppermann: "Anfang vom Ende der Ära Merkel"

Bei den ESM-Abstimmungen verfehlte die schwarz-gelbe Koalition allerdings die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sieht darin die Abenddämmerung der Ära Merkel: "Angela Merkel hat bei den Abstimmungen über den ESM gleich dreimal hintereinander die Kanzlermehrheit verfehlt." Dies betreffe die Abstimmungen am Freitag zur Ratifizierung des ESM, das Gesetz zur Finanzierung des ESM und den Vertrag über die Arbeitsweise der EU. "Das war kein Unfall. Angela Merkel hat schlicht keine eigene Mehrheit mehr für ihren Kurs." In einer Kanzlerdemokratie müsse in allen grundsätzlichen Fragen die Kanzlermehrheit stehen. "Wir erleben den Anfang vom Ende der Ära Merkel", meinte Oppermann.

Die Euro-Rettungsmaßnahmen von Kanzlerin Merkel werden durch die Klagewelle vorerst ausgebremst. Am Wochenende gingen insgesamt sechs Klagen gegen den europäischen Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Die Eilprüfung, ob Bundespräsident Joachim Gauck die Gesetze zu Fiskalpakt und ESM unterschreiben darf, kann nach Einschätzung von Linke-Fraktionschef Gregor Gysi drei Wochen dauern. Die Gegner sehen die Milliardenrisiken des ESM und die Sparzwänge des Fiskalpakts als verfassungswidrige Eingriffe in nationales Haushaltsrecht. Die Entscheidung über Milliardensummen werde einer demokratisch nicht legitimierten Organisation übertragen, der Bundestag ausgehebelt.

Gysi, warf Merkel Verfassungsbruch vor. "Der Weg, der gegenwärtig beschritten wird, ist der eines Sozial- und Demokratieabbaus", sagte er in Berlin. Auch in Deutschland könnten durch die Sparfesseln des Fiskalpaktes Renten, Löhne und Sozialleistungen gekürzt werden. Wenn die Regierung beides durchsetzen wolle, müsse es eine Volksabstimmung zur Änderung des Grundgesetzes geben. "Man kann nicht mit dem Grundgesetz so spielen, wie es derzeit geschieht", so Gysi.

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