Man darf Peter Ramsauer gratulieren. Sein Satz, je weniger beim Koalitionsgipfel herauskomme, desto besser sei es, wurde beherzigt. Der hörte sich beim ersten Hinhören destruktiv an, wie ein halber Grabgesang auf die Große Koalition. Aber der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag hat weise gesprochen.
Abwarten ist besser als Pfusch am Bau
Zu oft wird in der Koalition erst geredet, dann nachgedacht. Wird taktiert und intrigiert. Kommt die Profilneurose vor solidem Handwerk. So war es gut, dass die Beteiligten den Koalitionsgipfel am Sonntagabend zum Abkühlen ihrer erhitzten Gemüter nutzten und wieder ihren Verstand bemühten. Dass unterm Strich kein Ergebnis steht, ist zunächst zu verschmerzen, zumal ja für die nächste Sitzung in einer Woche Entscheidungen vorbereitet werden sollen. So bleibt es beim interessierten Publikum zwar bei dem öden Gefühl, dass irgendwann, irgendwie, irgendwas auf den Reformbaustellen der Republik etwas geschehen soll. Aber die Wartezeit ist allemal besser als weiterer Pfusch am Bau. Genau dies wäre es doch gewesen, wenn in Sachen Pendlerpauschale im Schweinsgalopp die Reform der Reform beschlossen worden wäre. Man stelle sich doch nur mal die Blamage vor, wenn jetzt die momentane Regelung gekippt, die alte mit dem Steuervorteil ab dem ersten Kilometer wieder eingeführt worden wäre - und das Verfassungsgericht doch die Regelung ab dem 21. Kilometer gebilligt hätte. Ein Steuerchaos wäre die Folge gewesen.
Kein Schnellschuss beim ALG I
Gut auch, dass beim Projekt eines längeren Arbeitslosengeldes für Ältere auf den politischen Schnellschuss verzichtet wurde. So bleibt die Hoffnung, dass die von der SPD betriebene populistische Verlängerung am Ende wenigstens kostenneutral ausfällt und kein neues Loch in die Etatplanung von Finanzminister Steinbrück reißt. Dass sie von der Sache her mit Blick auf den Arbeitsmarkt schädlich ist, bestreiten auch in der SPD viele nicht, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Bleiben der Mindestlohn in der Postbranche und der verpfuschte Bahn-Börsengang. Beim Mindestlohn müssten sich binnen einer Woche wohl verlässliche Daten zur Zahl der Beschäftigten beschaffen lassen. Und bei der Bahn verbietet sich ohnehin eine Hoppla-Hopp-Entscheidung.
Gerechte Lösung bei der Erbschaftsteuer
Nach dem lautstarken Kleinkrieg der vergangenen Tage muss unterm Strich zur Kenntnis genommen werden, dass diese Zwangs-Koalition doch noch ab und an positive Ergebnisse zustande bringt. Die Eckpunkte für die Erbschaftsteuerreform stehen. Das Ergebnis ist vernünftig, denn nahe Verwandte werden künftig besser gestellt, Familienfremde dagegen schlechter. Das ist gerecht. Und bei Betriebsübergaben kommt das so genannte Abschmelzmodell. Wenn Firmenerben Arbeitsplätze erhalten, müssen sie für den Großteil des Erbes keine Steuern bezahlen. Wenn sie nur abkassieren und sich mit dickem Geldbeutel in die Karibik verdrücken, müssen sie kräftig zahlen. Geschieht ihnen recht. Der Oma ihr klein Häuschen bleibt in jedem Fall unangetastet.
Vernünftige Vorschläge für das Unterhaltsrecht
Zu begrüßen auf der Habenseite der Koalition ist schließlich die Reform des Unterhaltrechts. Dass endlich, endlich Kinder von Eltern ohne Trauschein denen mit Eltern mit Trauschein gleichgestellt werden, ist seit langem überfällig. Lange genug ist es dem konservativen Flügel in der Union gelungen, einen gesellschaftspolitisch unhaltbaren Zustand aufrecht zu erhalten. Dieses Land braucht alle Kinder - mit gleichen Rechten allerdings. Niemand ist in der Lage zu erklären, weshalb Kinder ohne Trauschein der Eltern bisher mit weniger Unterhalt auskommen mussten. Weil sie "Kinder der Sünde" waren? Und ebenso richtig ist der Beschluss, dass die Unterhaltszahlungen für die Mütter nicht unendlich laufen, sondern begrenzt werden. Irgendwann müssen sie ihr Leben wieder selbst verantwortlich in die Hand nehmen.
Unterm Strich der politischen Entscheidungen der letzten Tage steht die weise Erkenntnis der Koalitionspartner, dass sie die Pflicht haben, den Rest der Legislaturperiode halbwegs gesittet mit ordentlicher Arbeit hinter sich zu bringen. Die Wähler könnten sonst 2009 leicht auf den Gedanken kommen, Rot und Schwarz noch einmal für weitere vier Jahre zur Zusammenarbeit zu verurteilen. Das wäre dann in der Tat die Höchststrafe. Für die Beteiligten, mehr noch für uns Bürger.