Kramp-Karrenbauer zur Frauenquote Lieber Kompromiss als Koalitionsbruch

Sie kämpfte für die Quote, lässt sich nun aber auf den CDU-Kompromiss ein. Ein Interview mit Saarlands Regierungschefin Kramp-Karrenbauer über Frauen, Mindestlöhne und "Brüderle-Kokolores".

Frau Kramp-Karrenbauer, Sie haben im Bundesrat dem rot-grünen Antrag zugestimmt, eine Frauen-Quote für Aufsichtsräte einzuführen. Gälte das auch für den Bundestag?
Nein, nicht in der jetzigen Situation. Als Ministerpräsidentin bin ich freier. Und das Sachthema Quote wurde leider durch taktische Überlegungen der Opposition überlagert, uns im Wahlkampf vorzuführen.

Aber Sie stimmen inhaltlich Rot-Grün doch zu.
Isoliert betrachtet könnte eine CDU-Abgeordnete dem Antrag auch zustimmen. Aber wir stehen auch vor Wahlen. Deutlicher als SPD-Fraktionschef Steinmeier, der die CDU-Frauen zur Rebellion aufrief, kann man das gar nicht machen. Im Sinne der Sache war das kontraproduktiv.

Sie verhalten sich doch auch – ganz Politiker - rein taktisch!
Nein. Das Thema muss auch Akzeptanz haben. Wenn es in der Debatte nur noch darum geht, ob die Koalition auseinander bricht, wird das Thema Quote so belastet, dass es in der Zukunft sehr schwer wird, in der CDU dafür zu kämpfen. Immerhin schreiben wir jetzt in unser Wahlprogramm eine feste Quote von 30 Prozent ab dem Jahr 2020.

Versprechen statt Entscheiden.
Nein, das geht weiter als der Antrag im Bundestag. Das werden wir auch in den nächsten Koalitionsverhandlungen durchsetzen.

Gegenüber der FDP?
Wenn es so kommt, auch gegenüber der FDP.

Gibt es in dieser Koalition überhaupt irgendwelche Erfolge in der Frauenpolitik?
Naja, das Betreuungsgeld ist sicher nicht mein Herzensprojekt. Ich hätte mir mehr und anderes gewünscht wie die Mütterrente. Aber das war bisher nicht zu machen. Ich kämpfe auch dafür, dass das nach der Wahl anders und besser wird.

Ist die CDU gesellschaftspolitisch auf der Höhe der Zeit?
Ja. Schauen Sie doch mal, welch enormen Weg wir in den letzten paar Jahren zurückgelegt haben. Es ist noch nicht so lange her, da haben uns wir noch um ein innerparteiliches Quorum gefetzt. Oder der Tarifmindestlohn. Der war am Anfang der Legislaturperiode nicht mehrheitsfähig. Das ist eine große Entwicklung.

Ist die CDU zu hausbacken, um die Wahl gewinnen zu können?
Wir sind fortschrittlich genug. Aber wir sollten unsere Positionen offensiver vertreten. Ich hätte mir zum Beispiel beim Thema Quote gewünscht, dass die Koalition einen eigenen Antrag vorlegt. Das gilt auch für den Mindestlohn, für andere Fehlentwicklungen in der sozialen Marktwirtschaft. Die gibt es, und das treibt die Menschen um. Wenn wir das ignorieren, suchen sich die Wähler andere Parteien – und das sind im Zweifel nicht immer die demokratischsten. Da würde ich mir mehr Offensive und Offenheit der CDU wünschen. Dann wären wir auch nicht Getriebene, denen man vorwerfen kann, wir beten nur nach, was andere vorbeten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bei Mindestlohn und Quote haben Sie die CDU ein Stück in Ihre Richtung bugsiert. Wann schaffen Sie das bei der Erhöhung des Spitzensteuersatzes?
Damit werde ich noch sehr, sehr lange in der Minderheit bleiben.

Rainer Brüderle nennt Sie "schwarzlackierte Sozialistin".
Das ist erstens der übliche Brüderle-Kokolores. Und zum zweiten: Ich bin durch und durch schwarz.

Sollte auf Angela Merkel eine Frau folgen?
Auf Angela Merkel sollte erst einmal Angela Merkel folgen…

Annegret Kramp-Karrenbauer, 50

Michael Kappeler/DPA ... ist Ministerpräsidentin des Saarlands. Die Politikwissenschaftlerin legte nach ihrem Studium eine steile Karriere in der CDU hin - unter ihrem Vorgänger Peter Müller war sie die erste Innenministerin in der Geschichte Deutschlands. Kramp-Karrenbauer ist verheiratet, hat drei Kinder und vertritt innerhalb ihrer Partei eher linke Positionen.

Andreas Hoidn-Borchers, Jan-Christoph Wiechmann