Ein Jahr, bevor der Bundestagswahlkampf richtig losgeht, will sich die schwarz-gelbe Koalition nach vielen Zerwürfnissen auf offener Bühne wieder zusammenraufen. Die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) haben sich vorgenommen, dafür bei einem Treffen unter sechs Augen an diesem Montag das grobe Drehbuch zu liefern. Es gibt ein lange Liste mit Konfliktpunkten, die auf Klärung warten. Auch übliche Tauschgeschäfte nach dem Motto "Gibst du bei dem Punkt nach, bekommst du etwas anderes dafür" sind nicht ausgeschlossen.
Betreuungsgeld
Das monatelange Hickhack um die staatliche Zahlung für die Erziehung von Kleinkindern im Elternhaus muss auf jeden Fall endgültig entschieden werden. Dieser Punkt ist bereits am Mittwoch im Kabinett. Die FDP-Spitze hat ihren Widerstand gegen das Prestigeprojekt der CSU weitgehend eingestellt und will sich vertragstreu verhalten. Ob allerdings die FDP-Parlamentarier beim Bundestagsvotum noch vor der Sommerpause geschlossen mitmachen, ist fraglich.
Energiewende
Fast genau ein Jahr nach dem Atomausstieg wegen der Katastrophe im japanischen Fukushima sind viele Fragen ungelöst: Ein von der Koalition mühsam ausgehandelter Kompromiss zur Kürzung der Solarförderung scheiterte am Widerstand der Länder. Der Netzausbau kommt nur schleppend voran. Der neue Umweltminister Peter Altmaier (CDU) setzt stärker als sein Vorgänger Norbert Röttgen auf den Dialog mit der Wirtschaft, was den Liberalen gefallen dürfte. Eine von den Liberalen gewünschte Entlastung von Mittelstand und Handwerk bei der Erneuerbare-Energien-Umlage ist derzeit jedoch nicht geplant. Unklar sind weiter die Fragen eines Endlagers für Atommüll und des Neubaus fossiler Kraftwerke, die für eine Übergangszeit die Atomkraft ersetzen sollen.
Vorratsdatenspeicherung
Hier ist der Riss in der Koalition besonders tief. FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zumindest zeigt sich trotz eines Machtworts der Kanzlerin weiter unbeugsam. Doch seit Strafzahlungen aus Brüssel wegen der fehlenden Umsetzung immer näher rücken, hat bei den Liberalen neue Nachdenklichkeit eingesetzt. Eine Auffanglinie könnte die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von Internet- und Telefondaten sein. Eher wahrscheinlich ist jedoch, dass dieser Punkt weiter strittig bleibt.
Mindestlohn
Die CDU möchte unbedingt mit dem Beschluss für eine Lohnuntergrenze für Branchen ohne Tarifverträge in den Wahlkampf ziehen, um der SPD mit ihrer populären Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen Paroli bieten zu können. Dabei legten sich die Liberalen bislang quer. Die Kanzlerin forderte die FDP am Wochenende aber explizit auf, sich in diesem Punkt endlich zu bewegen.
Praxisgebühr
Bislang lehnt die CDU die FDP-Forderung nach Abschaffung der ungeliebten Zusatzzahlung ab. Aus Sicht der Liberalen wäre dies wegen der immensen Überschüsse bei den Kassen durchaus verkraftbar und zudem ein Thema, um bei den Wählern 2013 zu punkten. Vielleicht sieht das die Union auch so, sofern sich der Koalitionspartner beim Lohnthema bewegt.
PKW-Maut
Keinen Hinweis gibt es dafür, dass diese CSU-Idee so schnell realisiert wird. Kanzlerin und FDP sind sich diesmal einig, dass dies nur Autofahrer und damit Wähler verschrecken würde. Möglich ist eine unverbindliche Absichtserklärung für die Zeit nach der Bundestagswahl.
Finanztraktionssteuer
Auch bei diesem lange festgefahrenen Punkt gibt es auf einmal Bewegung. Die Kanzlerin signalisiert ihre Bereitschaft, zusammen mit einer kleinen Gruppe von Euro-Ländern bei der Besteuerung der Finanzmärkte voranzuschreiten. Damit möchte sie sich die Zustimmung von SPD und Grünen beim Fiskalpakt im Bundestag noch vor der Sommerpause sichern. Und auch die FDP, die bislang davon partout nichts wissen wollte, zeigt sich plötzlich bereit, zumindest darüber zu reden.