Kurt Becks Sommerreise Hoffen, dass was hängenbleibt

Die SPD ist unbeliebt. Es wird Zeit für Arbeit an der Basis, fürs Händeschütteln, fürs Autogramme schreiben, fürs Aufpolieren des Images. Kurt Beck tourt vier Tage durch vier Bundesländer. stern.de-Autorin Christina Stefanescu war dabei.

Kurt Beck bei Blohm und Voss in Hamburg. Sein rechter Fuß ruht auf der Ankerkette der "Cap Roca", die linke Hand in der Hosentasche, der Bart ist frisch gestutzt, die Frisur auch. Er streckt seine Brust heraus. Stärke zeigen, der Basis zulächeln. Die Finger der rechten Hand schnipsen immer wieder gegeneinander. Beck versucht unauffällig das Öl von der Hand zu wischen. Bis zum Mittag hat er schon viele Dutzend Hände geschüttelt. Von Geschäftsführern, Arbeitern und Betriebsräten. Da kann schon mal was hängen bleiben.

Flecken am SPD-Chef etwa, oder, so Becks Kalkül, Eindruck bei potentiellen Wählern. Wähler kann der Pfälzer gebrauchen. Gerade einmal 17 Prozent würden für ihn stimmen, könnten sie den Kanzler direkt wählen, hat eine stern-Umfrage kürzlich ergeben. Selbst in seiner eigenen Partei ist die Zustimmung mau. Deshalb nun diese Sommerreise, wie die SPD die Händeschütteltour durch Deutschland nennt und dessen Teil der Werft-Besuch ist.

Als Lehrling U-Stahl geschlichtet

In der Lehrwerkstatt erzählt Kurt Beck den Azubis, dass er früher auch für den "Grundlehrgang Metall" U-Stahl schlichten musste. So nennt man das in der Branche. Beck ist gelernter Funkelektroniker, ein Arbeiter. Und Politiker. Zurzeit einer in schwerer Mission, ein Schwerstarbeiter. Ein SPD-Vorsitzender, dessen Partei bei der aktuellen Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa gerade einmal auf 25 Prozent kommt. Auch die Vorwehen der Wahlkämpfe zerren Beck durchs Land: Hamburg, Niedersachsen, Hessen. Dort wird nächstes Jahr gewählt. Noch so ein Grund für diese Sommerreise.

Die Anwesenheit des Partei-Häuptlings soll auch ein wenig Glanz auf die Spitzenkadidaten werfen, mit denen er die Termine absolviert, Michael Naumann etwa in Hamburg, den viele nur von den Plakaten kennen, auf denen er mit einer roten Kaffeetasse posiert. Dabei fällt nicht Naumanns Konterfei auf, er ist schwarz-weiß eingefärbt. Die Kaffeetasse ist der Star. Und für manche der kecke Spruch: "Hamburgs neuer Bürgermeister". Doch wie kann einer seine Genossen Spitzenkandidaten glänzen lassen, der selbst so wenig strahlt wie Kurt Beck?

"Wir bieten die Plattform im Sommerloch, er Presse für die Werft", sagt Tomas Marutz ungerührt, einer der Geschäftsführer von Blohm+Voss über den Besuch des SPD-Vorsitzenden. Der steht gerade am Rand des Trockendocks 11 und redet mit der ARD über Hartz IV. Die Reform sorgt wieder für Diskussionen, gar für einen Koalitionskrach. Die SPD will die Überprüfung der Hartz IV-Sätze mit der Ausweitung des Mindestlohns verbinden und so endlich wieder als soziale Partei wahrgenommen werden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Glauben an die Sozis verloren

Die Basis hier bei Blohm und Voss nämlich hat ein wenig den Glauben an die Sozis verloren. Willi Mazanek steht zwanzig Meter von der Reportertraube entfernt, die Kurt Beck umschwärmt wie Mücken eine Deckenlampe. Der 59-Jährige greift sich an seinen braunmelierten Schutzhelm. Das Emblem der Werft hat der Betriebsrat mit einem Aufkleber der IG Metall überklebt. Er ist treuer SPD-Wähler. Würde er für Kurt Beck als Kanzler stimmen? Willi Mazanek hebt die Schultern. "Keine Ahnung, ich kenne sein Konzept nicht." Von ihm selbst sei er nicht enttäuscht, aber von der SPD. Die Politik, die die Partei betreibe, sei nicht mehr sozial. Im Schiffsneubau, sagt er, da, wo die teuren Yachten für die Superreichen der Welt entstehen, würden mittlerweile beinahe genauso viele Leiharbeiter wie Festangestellte arbeiten. Dabei sei die Auftragslage der Werft gut. Die bekämen sechs, sieben, vielleicht auch mal acht Euro die Stunde. "Wie sollen die denn davon eine Familie ernähren?"

Oder das Thema Rente mit 67 - auch so eine SPD-Idee. "Wenn einer jeden Tag draußen arbeitet, hart körperlich, dann ist der mit Mitte fünfzig fertig. Der kann doch gar nicht mehr auf eine Schiffsschraube klettern. Soll der mit dem Gehwagen zum Schiff gebracht werden?", sagt Michael Ehlers, 54, stellvertretender Betriebsrat. Und: "Ich kann nicht von einer Partei enttäuscht sein, von der ich nichts erwarte." So ein Wahlkampftermin auf der Werft sei Augenwischerei, sagt Ehlers, auch wenn der Spitzenkandidat für die Landtagswahl mitkomme. Passieren würde nichts. Immerhin sei der Naumann jetzt auch mal bei Blohm und Voss gewesen - und wieder in den Medien.

So richtig erholt habe sich die SPD noch nicht vom Abgang des Medienkanzlers Schröder und der Agendapolitik, die erst einmal nur forderte und nicht förderte, wie Klaus Weinhold, 56, in der Heimat des Altkanzlers, Hannover sagt. Hier feiern die Sozialdemokraten ihr Sommerfest, es ist Becks zweiter Termin an diesem Montag. Es gibt Bier und Würstchen. Kurt Becks Aufgabe in der niedersächsischen Hauptstadt, mal wieder mit einem glanzlosen Spitzenkadidaten vor den Kameras posieren. Wolfgang Jüttner muss am 27. Januar 2008 gegen Ministerpräsident Christian Wulff antreten, und auch wenn sie ihn beim Sommerfest feiern wie den neuen König von Hannover, wird er wohl nicht den Funken einer Chance haben.

"Lasst uns nicht verzagt sein, lasst uns mutig sein"

Das ahnt auch der Spitzenkandidat und schreit selbstanfeuernd ins Mikrofon: "Lasst uns nicht verzagt sein, lasst uns mutig sein, wir können das schaffen." Und Beck? Schulterklopfen mit den Genossen, Hände schütteln, die Nähe zum Wähler und der Parteibasis suchen. Und vor allem: Sie mit einer impulsiven Rede wieder von der eigenen Partei überzeugen. "Der Mindestlohn ist eine ordnungspolitische Weiche, ein Lakmus-Test für die Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft", sagt Beck. Applaus, nicht nur Knöchelapplaus, nein, richtig lauter Applaus. Das wollen sie hier hören. Und das es den Rentnern besser gehen wird, dass alle studieren sollen, ohne dafür zu bezahlen.

"Schröder war eine Ein-Personen-Regierung, nach seinem Abgang fehlte die Gallionsfigur. Für mich war da erstmal eine große Leere", sagt Klaus Weinhold, der sich selbst als treuen SPD-Wähler bezeichnet, auch wenn es ihm manchmal schwer falle. Immerhin würde es allmählich wieder besser, sagt Weinhold. Er meint nicht die neue Gallionsfigur. Jetzt, wo die SPD im Landtagswahlkampf die Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt stelle, werde es besser. Die Gerechtigkeit sei die Chance, auch für die Bundes-SPD. Und sein Eindruck von Herrn Beck? Der sei zwar blasser als Gerhard Schröder, aber er verkörpere das Normale in der SPD. "Er ist volksnah, und sehr echt. Er ist eine Allzweckwaffe." Der solle nicht viel taktieren, sondern sich selber rüberbringen, sich ein bisschen bei Frau Merkel abschauen, wie man das Tun der anderen für sich nutze.

So nüchtern wie Klaus Weinhold setzen sich nicht alle in Hannover mit der SPD auseinander. Einer, der seinen Namen an dieser Stelle nicht lesen möchte, sei sehr enttäuscht. Trotzdem lauert er auf ein Autogramm vom Spitzensozi. Der Mann redet sich eine Viertelstunde lang in Rage, spricht von "einer Sch...". Er sei aus der SPD ausgetreten, weil die ungerechte Politik mache. Da habe man jahrelang geschuftet und jetzt kümmere sich keiner um Einen. Und die, die nicht arbeiten wollten, denen werde alles bezahlt, Wohnung, Versicherung. Nachdem er endlich sein Autogramm bekommen hat, ist er milder gestimmt, der Beck mache ja einen recht netten Eindruck. Der sei freundlich. Wählen würde er ihn trotzdem nicht.

Als Beck das Sommerfest der SPD-Hannover gegen viertel vor Neun verlässt, umringt von Bodyguards, gibt er sich immer noch für jeden offen, der ein Wort mit ihm wechseln möchte. Schließlich schnauft Kurt Beck, zieht schließlich das Jackett aus. Darunter trägt er ein kurzärmeliges Hemd. Er sehe eher aus wie ein Arbeiter als wie ein Politiker, hatte der Werftarbeiter Stevo Utjesanovic am Morgen in Hamburg gesagt. Der Arbeiter Beck ist ins Schwitzen gekommen, das Hemd klebt am Oberkörper des SPD-Vorsitzenden. Drei Tage Sommerreise liegen noch vor ihm. Auch in Salzgitter, Jühnde, Hanau, Marburg, Kassel, Niesetal und Eisenach werden sie ihm den Hof machen. Doch ein König ist er noch lange nicht.

Christina Stefanescu