Luftschlag in Afghanistan Eigene Rechtfertigung bringt Jung in Not

Ausgerechnet seine Rede im Bundestag bringt Franz Josef Jung tiefer in die Bredouille: Die Meldung, mit der sich Jung gestern verteidigte, ging offenbar auf genau demselben Weg ans Verteidigungsministerium wie alle kritischen Meldungen. Wurde ihm wirklich nur die positive vorgelegt?

Auch nach seiner Rechtfertigung im Bundestag zum Luftangriff auf zwei Tanklaster in Afghanistan steht der frühere Verteidigungs- und jetzige Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) stark unter Druck. Die "Bild"-Zeitung berichtete am Freitag, er habe bei seiner Rede aus einer Meldung zitiert, die auf dem selben Weg nach Deutschland gelangt sei wie der Rest der Meldungen, die angeblich alle auf zivile Opfer und mangelnde Aufklärung vor der Bombardierung hinwiesen. Die Zeitung fragt nun: "Kann es wirklich sein, dass nur diese eine Meldung Minister Jung erreichte - aber alle anderen (kritischen) Meldungen nicht...?"

Jung hatte am Donnerstag erneut versichert, er habe "die Öffentlichkeit und das Parlament korrekt über meinen Kenntnisstand" zum Luftangriff informiert. Den jetzt diskutierten Bericht der Feldjäger der Bundeswehr habe er zwar zur Weitergabe an die Nato freigegeben, konkrete Kenntnis davon habe er allerdings nicht gehabt.

"Jung ist nicht für ein Regierungsamt geeignet"

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Susanne Kastner (SPD), sagte unterdessen den "Ruhr Nachrichten", die Affäre um den Luftangriff im September mit zivilen Opfern in Afghanistan habe gezeigt, "dass Herr Jung nicht für ein Regierungsamt geeignet ist". Nun werde ein umfassender, offener und ehrlicher Bericht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Verteidigungsausschuss erwartet.

Die Ausschuss-Vorsitzende sieht das Engagement der Soldaten in Afghanistan durch die Affäre erschwert: "Das ist eine zusätzliche Belastung für die Soldaten und für die gesamte Bundeswehr." Jung habe auch mit seiner schlechten Informationspolitik dazu beigetragen, "dass die Akzeptanz für den Einsatz in der Bevölkerung zurückgegangen ist".

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte ebenfalls den Rückzug Jungs aus dem Kabinett. Der Abgang des Generalinspekteurs und eines Staatssekretärs reiche nicht aus, sagte er der "Berliner Zeitung". "Denn es kann ja nicht sein, dass das Verteidigungsministerium ein Tollhaus ist, in dem die entscheidenden Personen nicht wussten, was aus Afghanistan gemeldet wurde." Es könne "auch nicht sein, dass im Verteidigungsministerium Informationen behandelt werden wie zu Zeiten des Feldtelefons, wo mal einer auf die Leitung tritt und die Verbindung unterbricht", sagte Ströbele. Der Minister müsse sein Amt so organisieren, dass alle relevanten Nachrichten oben ankommen.

Zivile Opfer nie öffentlich eingestanden

Der Verteidigungsausschuss des Bundestags will sich heute vor allem mit Jungs Informationspolitik zu zivilen Opfern bei dem Luftschlag befassen. Die geheime Sondersitzung hat die Opposition durchgesetzt. Sie fühlt sich von Jung nur unzureichend über den Luftschlag im September informiert. Bei dem von einem deutschen Oberst angeordneten Bombardement waren am 4. September bis zu 142 Menschen bei Kundus getötet worden - darunter auch Zivilisten. Jung hatte zivile Opfer zunächst dementiert und auch in den Wochen danach niemals öffentlich eingestanden. Die Opposition fordert Jungs Rücktritt, weil er wichtige Informationen zurückgehalten habe. Im Zuge der Affäre mussten am Donnerstag bereits Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert ihren Hut nehmen.

Verteidigungsminister Guttenberg kündigte erneut an, durchzugreifen und lückenlos aufzuklären. "Ich werde dem Parlament alle mir zugänglichen Akten zur Verfügung stellen", sagte er am Donnerstagabend im ZDF. "Es muss deutlich gemacht werden, welche Wege tatsächlich zu dieser Nicht-Information oder zu diesen teilweise sehr mangelhaften Informationen geführt haben." Er könne nicht beurteilen, "wer mit wem wann und wie gesprochen hat", so Guttenberg, der direkte Kritik an seinem Amtsvorgänger vermied.

Ausdrückliche Warnung vor einer Weitergabe

Dafür erklärte der Verteidigungsminister im ZDF-"heute-journal", angesichts der neuen Informationen müsse er womöglich seine Beurteilung des Angriffs zurücknehmen. Guttenberg hatte das Bombardement nach Lektüre des Nato-Berichts unmittelbar nach seinem Amtsantritt als "militärisch angemessen" bezeichnet. "Möglicherweise werde ich meine Beurteilung revidieren müssen", so Guttenberg.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Auslöser der Turbulenzen für die erst vier Wochen amtierende schwarz-gelbe Koalition war ein Bericht der "Bild"-Zeitung. Danach wurden im Verteidigungsressort zum Ende von Jungs Amtszeit Informationen über zivile Opfer bei der Bombardierung unterschlagen. Am Freitag berichtete die "Bild", dass der Bericht der Feldjäger über den Luftschlag einen Vermerk mit der ausdrücklichen Warnung vor einer Weitergabe trage. Es drohten negative Folgen, sollte der Bericht ohne begleitende, fachliche Kommentierung in eine Untersuchung einfließen, zitiert das Blatt aus dem Feldjäger-Rapport.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auf Distanz zu Jung und forderte absolute Transparenz. Jung war am Donnerstag nicht auf Rücktrittsforderungen der Opposition eingegangen und hatte Fehler bei der Informationspolitik bestritten.

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos