Im Jahr 2010/2011 plant die Bundesregierung die Teilnahme an einer EU-weiten Erhebung. Diesmal werden nicht mehr Hunderttausende Zähler an den Wohnungstüren klingeln. Die Statistiker bauen auf eine inzwischen praxiserprobte "registergestützte Zählung".
Johann Hahlen, als Präsident des Statistischen Bundesamtes der oberste Zahlenverarbeiter der Republik, dringt schon lange auf eine neue Erhebung. Seit der Zählung 1987 im Westen und einer Erhebung 1983 in der DDR seien die Veränderungen gravierend. Die Daten sind mittlerweile immer unschärfer geworden und taugen immer weniger als Grundlage für wichtige staatliche Entscheidungen. Das fängt schon mit der einfachen Frage an: Wie viele Menschen leben in Deutschland?
Wahrscheinlich sind es 1,3 Millionen Deutsche weniger
Nach der fortgeschriebenen Statistik sollen es am 31. Dezember 2005 knapp 82,44 Millionen gewesen sein. Die Experten des Statischen Bundesamtes schätzen aber, dass es in Wirklichkeit 1,3 Millionen weniger sind. Schon die Volkszählung 1987 brachte das überraschende Ergebnis, dass in Westdeutschland eine Million Menschen weniger lebten als angenommen. Ein simpler Grund: Viele ziehen weg, ohne sich abzumelden. Nach der Wiedervereinigung kam jetzt noch eine erhebliche Ost-West-Wanderung hinzu, von der Statistik nur unzureichend erfasst.
Auch andere Daten liegen nach Vermutung der Statistiker weit neben der Realität. So könnte die erst im vergangenen Jahr auf 6,7 Millionen nach unten korrigierte Zahl der Ausländer immer noch deutlich zu hoch sein. Auch die fortgeschriebenen Wohnungszahlen halten die Experten für stark überhöht. Dies war bereits 1987 so.
Ängste vor Missbrauch und Überwachung
Per Mikrozensus werden jährlich ein Prozent aller Haushalte nach einer repräsentativen Stichprobe befragt. Doch offensichtlich kann dies die in zwei Jahrzehnten aufgelaufenen Fehler nicht ausgleichen. Für Politik und Statistik folgt daraus: Es muss neu gezählt werden.
Eine Volkszählung ist mehr als nur die Zählung der Einwohner. Die Daten über Bevölkerung, Haushalte, Erwerbsstatus, Bildungsstand sowie über Wohnungen und Gebäude bilden die Grundlage für politische Entscheidungen, etwa für die Planung von Schulen und Kliniken oder für den Wohnungsbau. Zudem bestimmt die Einwohnerzahl die Anzahl der Stimmen eines Landes im Bundesrat und die Größe eines Wahlkreises.

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Volkszählungen verzeichnet die Geschichtsschreibung schon seit Jahrtausenden. Die Zählungen der Neuzeit wurden immer aufgefeilter. Aber gerade die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung weckten Ängste vor Missbrauch und Überwachung. 1987 versammelten sich die Gegner hinter Parolen wie "Meine Daten gehören mir" oder "Meine Daten müsst ihr raten". Der Boykottaufruf wurde freilich ein Flop. Bundesweit fehlten nur 600.000 Fragebögen - weniger als ein Prozent.
Das neue Verfahren stützt sich außer auf Stichproben vor allem auf vorhandene Register bei den Meldebehörden und der Bundesagentur für Arbeit. Dies bietet Gegnern weniger Angriffsflächen. Nur noch die 17,5 Millionen Immobilienbesitzer sollen schriftlich befragt werden.
Alle Daten sollen anonym bleiben
Im Streit um die Volkszählung von 1987 fällte das Bundesverfassungsgericht 1983 zudem ein Grundsatzurteil. Danach ist jeder Herr über seine personenbezogenen Daten. Der heutige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat nichts gegen die neue Zählung einzuwenden. Nach dem Kabinettsbeschluss wies er darauf hin, dass er sorgfältig auf die Einhaltung dieser Grundsätze achten werde.
Die Regierung versichert, dass alle Daten anonym blieben. Bei der Volkszählung gelte das Prinzip der Einbahnstraße. Die Statistik erhält Daten aus der Verwaltung, aber die Verwaltung bekommt keine von der Statistik. Falls die Zählung also ergibt, dass jemand nicht gemeldet ist, dann erfährt die betroffene Gemeinde davon nichts.