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Münchens Bewerbung um die Winterspiele 2018 Garmisch rebelliert gegen Olympia

Für die bayerische Politprominenz ist die Olympia-Bewerbung Münchens das Prestigeprojekt schlechthin. Doch es steht auf der Kippe. Bauern und Bürger leisten Widerstand - mit Aussicht auf Erfolg.
Von Sebastian Kemnitzer

Was für ein Tag. Was für ein Erfolg. Es war der 21. Juni. Und Thomas Schmid war ganz oben. Mitten in München, mitten auf dem Marienplatz. Wie ein Honigkuchenpferd grinste der Bürgermeister der 26.000-Seelen-Gemeinde Garmisch-Partenkirchen, winkte den Feiernden entgegen. Kein Mikrofon ließ er aus, Gattin Denise war stets in Reichweite. Schmid hatte allen Grund zur Freude. Denn an jenem Junitag kürte das Internationale Olympische Komitee (IOC) München offiziell zur Kandidatenstadt für die Olympischen Winterspiele 2018 - und adelte damit gleichzeitig die Orte Königsee und eben Garmisch-Partenkirchen. Läuft alles nach Plan, wird in Garmisch das Herz der Spiele schlagen: Nicht nur die Ski- und Snowboardwettbewerbe sollen dort stattfinden, auch eines der beiden olympischen Dörfer, eine der beiden Heimstätten der Athleten, soll dort gebaut werden. Das andere Dorf wird in München errichtet.

Nur: es läuft nicht alles nach Plan. Im Gegenteil. In Garmisch-Partenkirchen regt sich beinharter Widerstand. Das Prestigeprojekt Olympia steht auf der Kippe und droht parteiübergreifend zur Pleite für die gesamte bayerische Politprominenz zu werden - für Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) ebenso wie für den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) - und eben auch für Schmid, einen ehemaligen CSU-Politiker, der bei der vergangenen Kommunalwahl erfolgreich als Kopf der neu gegründeten Christlich-Sozialen Bürger (CSB) antrat und damit seine ehemaligen Parteifreunde mächtig düpierte.

Aber der Reihe nach. Die Chancen, dass München und seine Anhängsel den Zuschlag erhalten, stehen eigentlich nicht schlecht. Konkurrenten der Bayern sind die Orte Annecy in Frankreich und Pyeongchang in Südkorea, machbare Gegner. Die Asiaten sind bereits zweimal gescheitert, und auch die Bewerbung der Franzosen schätzen Experten als dürftig ein. München dagegen stieß bisher auf größtes Wohlwollen bei den Sportfunktionären. Lediglich einen Punkt bemängelte das IOC: die mangelnde Begeisterung der Bevölkerung - eine beschönigende Umschreibung für nichts anderes als handfesten Widerstand.

Wut über die "arroganten Großkopferten"

Zuerst regte sich der Volkszorn gegen Olympia in Oberammergau. In dem Passionsspielort sollten ursprünglich die Biathlon- und Langlaufwettbewerbe ausgetragen werden. 773 Bürger unterzeichneten jedoch einen Aufruf, der sich gegen dieses Vorhaben stemmte. Die Olympiabewerbungsgesellschaft, geführt vom ebenso erfolgreichen wie aus Sicht seiner Kritiker selbstherrlichen Unternehmer Willy Bogner, reagierte schnell und verlagerte die Wettbewerbe schnell auf ein staatliches Gestüt namens Schwaiganger. Eine Kleinigkeit, dachte man. Das IOC toleriert so ein Manöver in der Regel klaglos, kaum eine Olympiabewerbung verläuft ohne Probleme. Peanuts.

Schwerer wiegt da schon die Gegenwehr in Garmisch-Partenkirchen. Die Gemeinde ist wegen des geplanten olympischen Dorfes von zentraler Bedeutung für die Bewerbung. Kein Dorf, kein Olympia. Und genau das ist zum Problem geworden. Denn spätestens seit Juni gehen jene 20 ansässigen Bauern und Grundstücksbesitzer auf die Barrikaden, auf deren Flächen das olympische Dorf ursprünglich errichtet werden sollte. Viele Eigner fühlen sich vom Auftreten Bogners und seiner Organisation vor den Kopf gestoßen. Zu spät seien sie von Bogners Team in die Planung mit einbezogen worden, monierten sie, die angebotene Pacht sei ein Witz - aktuell liegt die Spanne bei 50 Cent bis 1,50 Euro Pachtzins pro Quadratmeter plus Nutzungsausfall - und das Auftreten Bogners an Arroganz kaum zu überbieten. Im Zweifel müsse der Einzelne eben zurückstecken, hatte der Organisationschef die Grundstückseigner pampig beschieden - so, als sei es selbstverständlich, dass die Grundstücke für Olympia zur Verfügung zu stehen hätten. So ein Verhalten rächt sich, einige Bauern stellten auf stur. "Die arroganten Großkopferten aus München haben uns von Anfang an nicht ernst genommen", sagt ein alteingessener Landwirt, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will.

"Der Zug ist abgefahren"

Das Ergebnis: Bislang hat nur ein Fünftel der Grundstückseigentümer einen Pachtvertrag unterzeichnet. Da hilft es auch nichts, dass Bürgermeister Schmid allenthalben beteuert, dass er eine Einigung mit den Olympia-Rebellen hinbekommen werde. Die Wirklichkeit sieht derzeit anders aus. Viele Grundstückseigentümer gehen nicht einmal mehr zu Gesprächen. Einige wollen mit dem Bürgermeister kein Wort mehr wechseln, sie haben nach Informationen von stern.de deswegen vor wenigen Tagen sogar einen Anwalt eingeschaltet. Per Brief wollen sie Bürgermeister Schmid auffordern, in Zukunft Gesprächsversuche zu unterlassen. Der Zug sei abgefahren, sagt der Landwirt. Endgültig.

Dabei beschränkt sich der Widerstand in Garmisch-Partenkirchen längst nicht mehr nur auf die verprellten Bauern. Laut einer Umfrage lehnen rund zwanzig Prozent der Bürger die Spiele völlig ab. Die Gegner fürchten die hohen Kosten und eine Zerstörung des engen Loisachtals, wollen deswegen - wie in Oberammergau - einen Bürgerentscheid herbeiführen. "Bisher haben wir schon mehr als 2000 Unterschriften gesammelt", sagt Andreas Keller, einer der Initiatoren von "Nolympia", stern.de. Der pensionierte Physiker kennt sich mit dem Prozedere bestens aus: Schon einmal, vor 20 Jahren, verhinderte er mit einer Bürgerinitiative Olympia in Garmisch-Partenkirchen. Richtig loslegen will er mit seinem Bürgerbegehren, sobald endgültig klar ist, wo das olympische Dorf stehen soll. Auch die örtliche CSU-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Koch macht Druck: "Die Standortfrage des olympischen Dorfs und anderer Einrichtungen muss endgültig geklärt werden, sagt sie. "Außerdem will ich weiterhin einen Bürgerentscheid. Nur damit wissen wir, ob die Spiele wirklich im Ort gewünscht sind."

Um das drohende Desaster abzuwenden und zumindest den Großteil der Einheimischen für Olympia zu gewinnen, startete vor kurzem auch die bayerische Staatsregierung eine Charmeoffensive. Das gesamte Kabinett tagte in Garmisch-Partenkirchen, Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sprach ein paar beruhigende Worte. Alles würde schon gut laufen, sagte er. Die Verhandlungen für die Staatsregierung führt nun Seehofers rechte Hand, Staatskanzleichef Siegfried Schneider.

Jetzt müssen die Amerikaner helfen

Derweil läuft den Organisatoren die Zeit davon. Spätestens im Oktober müssen die Verträge über den Standort des olympischen Dorfes unterschrieben sein. In elf Monaten fällt das IOC die Entscheidung über die Ausrichterstadt. Mit jeder weiteren Woche voller Zwist verliert München immer mehr an Bonus. Politische Unruhe, eine aufständische Bevölkerung, konfuse Planungen: all das sind Ausschlusskriterien für die Funktionäre.

Aufgrund der festgefahrenen Grundstücksverhandlungen hat die Landesregierung deshalb ein alternatives Grundstück ins Spiel gebracht: einen Golfplatz am Ortsrand. Doch auch hier gibt es Probleme. Die Golfer rebellieren ebenso wie die Bauern, außerdem unterliegt der Platz einem Nato-Truppenstatut - offiziell muss die US-Regierung ihre Zustimmung geben. Demnach müsste Präsident Barack Obama oder zumindest dessen US-Verteidigungsminister Robert Gates Münchens Olympiabewerbung retten. Bei dem Minister soll jetzt entsprechend ein ganz besonderer CSU-Gesandter werben, nämlich der Amtskollege Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Aber auch der smarte CSU-Star muss sich jetzt sputen, wenn in Garmisch-Partenkirchen der Streit um Olympia nicht noch weiter eskalieren soll. Mittlerweile gibt es sogar schon Sachbeschädigungen. Ende vergangener Woche demolierten Unbekannte das Auto einer hartnäckigen Grundstückseigentümerin. Am Wochenende reagierte die mutmaßlich andere Seite und beschmierte die Maskottchen der Ski-WM 2011 mit Hitler-Bärtchen. "Fuck Olympia" steht da jetzt zu lesen.

Dem Bürgermeister Schmid, vormals ein Diplomat, blieb dieser Anblick vorerst erspart. Er weilt derzeit im Urlaub.

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