Nach Bundesbank-Aus Sarrazins Rücktritt macht der SPD Hoffnung

Der umstrittene Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin tritt ab. Doch einen "goldenen Handschlag" bekommt er nicht. Während der 65-Jährige auf Lesetour sein heftig diskutiertes Buch vermarktet, hofft die SPD, dass sich Sarrazin nun auch aus dem Parteileben zurückzieht.

Thilo Sarrazin bekommt nach seinem Rückzug vom Amt des Bundesbankvorstandes keine Abfindung. Am Vorabend in Berlin hatte der wegen seiner Thesen zur Einwanderungspolitik heftig in die Kritik geratene SPD-Politiker seine Entscheidung verkündet. Die Bundesbank hatte zuvor einen Antrag auf seine Entlassung gestellt. Der lag zur Entscheidung bei Bundespräsident Christian Wulff. Nach der Demission Sarrazins zog die Bundesbank den Antrag zurück.

"Ich halte das für eine sehr honorige, einvernehmliche Lösung, die viel quälende Diskussionen für alle Beteiligten beendet hat", sagte der Geschäftsführende Vorstand des Deutschen Aktieninstitutes, Rüdiger von Rosen in Frankfurt.

Sarrazin will sich dem öffentlichen Druck nicht länger stellen und zum Monatsende bei der Bundesbank ausscheiden. Er habe Bundespräsident Christian Wulff gebeten, ihn von dem Amt zu entbinden, sagte der frühere Berliner Finanzsenator.

Premiere bei der Bundesbank

Vorausgegangen war eine lange und heftige öffentliche Debatte um seinen Parteiausschluss und seine Entlassung als Bankvorstand. Die Bundesbank hatte Sarrazin diskriminierende Aussagen vorgeworfen, die das Ansehen der Notenbank schädigten. Deshalb hatte der Vorstand nach langem Zögern erstmals in der Geschichte des Hauses die Abberufung eines Mitglieds beantragt.

Von Rosen hofft, dass die Debatte um Sarrazin genutzt wird, das politische Verfahren für die Berufung von Bundesbankvorständen zu überdenken. "Eine fachorientierte Besetzung ist sehr wichtig - wobei niemand die fachliche Kompetenz von Herrn Sarrazin infrage gestellt hat." Bisher werden Vorstandsmitglieder der Zentralbank von der Bundesregierung und den Bundesländern vorgeschlagen. Nach Sarrazins Abgang dürfen Rheinland-Pfalz und das Saarland einen Nachfolger vorschlagen.

"Es kann nicht alles beim Alten bleiben"

Die stellvertretenden Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, forderte am Freitag, das Berufungsverfahren zu ändern: "Alle Vorstände müssen ein parlamentarisches Anhörungsverfahren durchlaufen. Es kann jetzt nicht alles beim Alten bleiben." Kipping begrüßte Sarrazins Entschluss: "Wer gegen Ausländer und sozial Benachteiligte hetzt, hat in öffentlichen Ämtern nichts zu suchen."

Auch im Schloss Bellevue zeigte man sich noch am Donnerstagabend erleichtert. Wulff begrüßte die Entscheidung. "Der Bundespräsident wird dem Antrag von Herrn Doktor Sarrazin entsprechen", teilte der Präsidentensprecher mit.

Ruhende Mitgliedschaft eine Option

Nach Berichten der Mitteldeutschen Zeitung wurde die Entwicklung auch in Sarrazins Berliner SPD-Landesverband positiv aufgenommen. Man hoffe, dass nun womöglich auch ein quälendes Ausschlussverfahren mit ungewissem Ausgang vermieden werden könne. Sarrazin müsse ja nicht aus der Partei austreten. Er könne seine Mitgliedschaft auch ruhen lassen, zitierte die Zeitung Parteikreise.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sarrazin erklärte, dass er in den vergangenen 14 Tagen "massiven Druck" gespürt habe. "Das war für mich nicht einfach." Er habe sich überlegt, ob er es sich leisten könne, sich "mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen". "Diese Situation hält auf Dauer keiner durch", sagte Sarrazin. Jetzt könne er noch auf vielen Veranstaltungen auftreten, ohne dass man sage, da spreche ein Bundesbankvorstand.

Die türkischstämmige Soziologin Necla Kelek äußerte Verständnis für den Rückzug Sarrazins aus dem Bankenvorstand: "Die Entscheidung von Thilo Sarrazin kann ich sehr gut verstehen - bei all dem, was über ihn hereingebrochen ist", sagte sie der Bild. Kelek, die Sarrazins Buch vorgestellt hatte, betonte aber auch: "Ich bedauere das sehr - für die Bundesbank, die einen guten Vorstand verliert!"

DPA
mre/DPA