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Panzer für die Ukraine Der Ton ändert sich, schon wieder: das wirre Durcheinander um deutsche Waffenlieferungen

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht
Bundeskanzler Olaf Scholz (im Hintergrund) und Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD)
© Kay Nietfeld / DPA
Nun also doch: Die Bundesregierung ist zur Lieferung von Panzern an die Ukraine bereit. Für viele ein längst überfälliger Schritt. Die öffentliche Darstellung der Entscheidung erscheint jedoch weiterhin diffus.

Vielleicht haben die Sozialdemokraten 99 Probleme, aber Putin oder Russland sind tatsächlich keins davon. "Die SPD hat kein Putin-Problem", sagte die Co-Vorsitzende Saskia Esken am Montag, "die SPD hat kein Russland-Problem".

Freilich würde der ukrainische Botschafter Andrej Melnyk nun entschieden widersprechen. Doch waren die Probleme der SPD in den vergangenen Tagen und Wochen durchaus spezieller gelagert, wenngleich sie in Kombination den Eindruck eines generellen Putin- und Russlands-Problems in der Öffentlichkeit entstehen ließen.

Da ist etwa die unschöne Sache mit Altkanzler Gerhard Schröder, der keinen Millimeter von seinem russischen Präsidenten-Buddy abrücken will. Die undurchsichtige Sache mit Manuela Schwesig und ihrer Verbindung zu Nord Stream 2, die bisher kein Licht am Ende der Röhre erkennen lässt. Oder die unschlüssige Sache mit der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine, die fortlaufend Fragezeichen produziert.

Letzteres wurde zuletzt von allen Seiten gefordert: Neben einer dauererregten Opposition um CDU-Chef Friedrich Merz drängelten auch vermehrt Ampel-Politiker, vor allem aus den Reihen der FDP und Grünen, auf mehr deutsches Engagement. Nur die SPD, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz, schien zu blockieren.

Bis jetzt. Die Bundesregierung will der Ukraine schwere Waffen aus Deutschland bereitstellen, wie am Dienstagmorgen bekannt wurde. Konkret geht es um die Lieferung gebrauchter Flugabwehrpanzer des Typs "Gepard" aus Industriebeständen, auch Geschütze vom Typ "Panzerhaubitze 2000" sollen indirekt in die Ukraine gelangen (mehr dazu lesen Sie hier). Die entsprechende Zusage(n) machte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) später bei einem Treffen auf Einladung der USA auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein.

Damit geben Kanzler Scholz und die SPD dem wachsenden Druck nach, der auch international zugenommen hatte. Der Entschluss dürfte daher auch ein Versuch sein, die harsche Kritik an der (zögerlichen) Haltung Deutschlands in Bezug auf Waffenlieferungen abzumildern. Die Kritik an ihrer öffentlichen Darstellung dürfte hingegen nicht abreißen.

Nun also doch

Denn auch wenn die Politik des Kanzlers vernünftig und gut begründet sein mag, ihre Kommunikation wirkte bisher verworren und verwirrend. Die Entscheidungen fielen stückweise, die Begründungen wechselten im Tages- und Wochentakt. Schwere Waffen konnten nicht geliefert werden, weil...

  • …die Ukraine nicht mit dem Gerät umgehen kann.
  • …weil die Waffen nicht lieferbar oder funktionstüchtig sind.
  • …weil die Bundeswehr die Waffen selbst braucht, um die eigene Verteidigungs- oder Bündnisfähigkeit nicht auszuhöhlen.
  • …weil die Linie mit den Bündnispartnern so verabredet ist.
  • …weil ein Ringtausch von Waffen schneller und effektiver ist.

Selten war der Wunsch nach Klarheit größer – aber wie spricht man über Kriegsstrategie, ohne die eigene preiszugeben? Und wie verfolgt man eine Kriegsstrategie, wenn sich die Lage minutiös ändert? Es ist ein Dilemma, das der Kanzler und seine Regierung bisher nicht auflösen konnten – und das bisher Gesagte zumindest fragwürdig und unglaubwürdig erscheinen lassen.

Noch vor einer Woche lehnte der Kanzler deutsche Lieferungen von Panzern an die Ukraine ab und sicherte stattdessen die Finanzierung für Waffenkäufe zu. Kurz darauf offenbarte er im Interview mit dem "Spiegel" einen weiteren Grund für sein Zögern: "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben."

Auf die Anschlussfrage, was ihn denken lasse, dass Panzerlieferungen aus Deutschland diese Konsequenzen habe, antwortete Scholz: "Es gibt kein Lehrbuch für diese Situation, in dem man nachlesen könnte, ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden." Das Buch werde täglich neu geschrieben, "manche Lektionen liegen noch vor uns." Umso wichtiger sei es, "dass wir jeden unserer Schritte genau überlegen und eng miteinander abstimmen."

Russlands Präsident Wladimir Putin

Keine weiteren Fragen, außer: Welche Lektion wurde nun gelernt, welche Überlegungen und Abstimmungen haben zum Umdenken geführt? 

Russlands Außenminister Lawrow hatte vor der (öffentlichen) Panzer-Kehrtwende Deutschlands deutlich gemacht, dass er Waffenlieferungen der Nato an die Ukraine als berechtigte Angriffsziele für sein Land betrachtet. In einem Interview des russischen Fernsehens warnte er, die Gefahr eines Dritten Weltkriegs sei "ernst, sie ist real, sie darf nicht unterschätzt werden". 

Warum sich Deutschland nun in der Frage der Lieferung schwerer Waffen bewegt, ist (noch) nicht detailliert ausbuchstabiert. Kurz vor dem Treffen in Ramstein erklärte das Bundesverteidigungsministerium: "Deutschland hilft der Ukraine – mit Waffen, mit Munition, mit Geld, mit Ausrüstung und mit humanitären Gütern." Der Angriff Russlands sei auch ein Angriff "Angriff auf unser aller Freiheit, Demokratie und unsere Werte". Nicht mehr, nicht weniger.

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