FDP-Chef Philipp Rösler hat den hessischen Landesvorsitzenden Jörg-Uwe Hahn gegen den Vorwurf des Rassismus in Schutz genommen. "Ich verstehe die Aufregung über die vielfach kritisierte Interview-Äußerung von Jörg-Uwe Hahn vom Donnerstag nicht", sagte Rösler am Freitag in Berlin. "Jörg-Uwe Hahn ist über jeden Verdacht des Rassismus erhaben." Mit Hahn verbinde ihn eine "persönliche Freundschaft", so Rösler.
In einem Interview mit der "Frankfurter Neuen Presse" vom Donnerstag hatte Hahn gesagt: "Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren." Dies war so verstanden worden, als ziehe Hahn die Akzeptanz Röslers als Vizekanzler in der Bevölkerung wegen dessen Herkunft aus Vietnam in Zweifel. Inzwischen äußerte sich eine ganze Reihe von Politikern aus der FDP und anderen Parteien dazu. Rösler, der in Vietnam geboren und als Kleinkind vom deutschen Ehepaar Rösler adoptiert wurde, hatte bislang dazu geschwiegen.
SPD und Linkspartei waren nach dem Interview empört
SPD und Linkspartei hatten Hahn, der in Hessen Justiz- und Integrationsminister ist, Rassismus vorgeworfen. Rösler hob dagegen jetzt Hahns Verdienste im Ministeramt hervor: "Jörg-Uwe Hahn hat als Integrationsminister in Hessen in den vergangenen Jahren erfolgreich gewirkt", sagte Rösler. "Das zeigen auch die positiven Stellungnahmen aus den Verbänden der Menschen mit Migrationshintergrund." Trotz der Äußerungen Röslers – die FDP befindet sich seit Hahns Worten mitten in einer Debatte über Rassismus. Dazu trug auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen (Juli), Lasse Becker, bei. Becker sagte der "Passauer Neuen Presse", rassistische Äußerungen gegen Rösler seien häufig. "Ich bekomme am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone zu hören: Ich würde Euch ja wählen, aber dafür müsste erst einmal der Chinese weg", sagte der Jungliberale.
Zur Aussage von Hahn sagte er: „Die Wortwahl war offensichtlich missverständlich. Es ist aber notwendig, diese Debatte zu führen." Hahn habe eigentlich das von ihm geschilderte Rassismus-Problem im Umgang mit Rösler ansprechen wollen.
"Offene oder versteckte rassistische Äußerungen"
Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth schilderte ähnliche Erlebnisse. "Als FDP-Mitglied erlebe ich häufig offene oder versteckte rassistische Äußerungen mit Blick auf Rösler. Dabei könne wir stolz auf unser Land sein, in dem es möglich ist, dass ein Opfer des Vietnam-Krieges es bis in die Regierungsspitze schaffen kann", sagte Kurth der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".
Aus seiner Sicht stelle Hahn nicht Rösler infrage. Vielmehr wolle dieser wissen, "ob die Bürger tatsächlich für den Fortschritt bereit sind, einen "asiatisch aussehenden Deutschen" als Vizekanzler zu akzeptieren. Das ist ein Appell an das schlechte Gewissen der Deutschen."
Rückendeckung bekam Hahn auch von Ausländerbeiräten. "Er ist nicht rassistisch eingestellt", sagte der Vorsitzende der hessischen Ausländerbeiräte (Agah), Corrado Di Benedetto. Im Gegenteil: "Ich sehe die Äußerungen des Integrationsministers unmissverständlich positiv."
"Unsere Gesellschaft ist wohl noch nicht so weit, dass man es als selbstverständlich ansieht, dass Menschen mit Migrationshintergrund Führungspositionen besetzen", sagte Di Benedetto. Hahn habe dieses Thema angesprochen - "und es ging dabei keineswegs um Rösler".

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Die Opposition reagierte dagegen mit heftiger Kritik auf Hahns Worte und warf dem FDP-Politiker Hahn "billigsten Rassismus" und eine "stillose Entgleisung" vor.
Hahn selbst hatte am Donnerstag versucht, die Wogen mit einer schriftlichen Mitteilung zu glätten. "Ich habe darauf hinweisen wollen, dass es in unserer Gesellschaft einen weit verbreiteten, oft unterschwelligen Rassismus gibt." Dieses gesellschaftliche Problem dürfe man nicht totschweigen, sondern müsse es offen ansprechen, um es zu bekämpfen.