Schändungs-Skandal Sightseeing am Knochenfeld

Drei Soldaten einer Kaserne in Bad Segeberg haben inzwischen die Totenschändungen in Afghanistan gestanden. Die Aufnahmen sind Berichten zufolge bei einer "Stadtrundfahrt" der Bundeswehr zum Gräberfeld entstanden.

Im Skandal um Totenschändungen in Afghanistan haben drei Soldaten einer Kaserne in Schleswig-Holstein laut Bundeswehr ihre Beteilung zugegeben. "Die Verantwortlichen haben den Fall rückhaltlos eingestanden, zeigten sich reumütig und zerknirscht über den Vorfall", sagte General Christof Munzlinger, Kommandeur der Panzer-Brigade 18, wie die Zeitung "Lübecker Nachrichten" in ihrer Dienstagsausgabe berichtet.

Insgesamt wird derzeit gegen 20 aktive und ehemalige Soldaten ermittelt. Zwei Soldaten seien bisher vom Dienst suspendiert worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, am Montag in Berlin. Er wisse, dass zumindest "eine große Tageszeitung" noch über mehrere Bilder verfüge. Gerüchte, wonach Offiziere in Afghanistan seit längerem von den Fotos wussten, wies das Verteidigungsministerium erneut zurück. Der Kreis der an den Schändungen beteiligten Soldaten umfasse ausschließlich Mannschafts- und Unteroffiziersdienstgrade.

Stadtrundfahrten zum Knochenfeld

Nach Informationen der "Stuttgarter Zeitung" hat die Bundeswehr dagegen bereits vor Juni 2003 Soldaten und Besucher in Bussen zu dem Gräberfeld bei Kabul gefahren. Von dort sollen die Fotos stammen, auf denen Bundeswehrsoldaten mit Totenschädeln posieren. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf einen früheren Soldaten, der in Afghanistan stationiert war, an den "Stadtrundfahrten" hätten Soldaten aus dem Isaf-Lager "Camp Warehouse" sowie Besucher aus Deutschland, etwa Politiker oder höhere Dienstgrade teilgenommen. Diese seien an dem Knochenfeld aus dem Bus ausgestiegen, viele von ihnen hätten Fotos gemacht.

Laut General Munzlinger hatte einer der Täter aus der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Bad Segeberg in den Tagen nach den Aufnahmen noch versucht, das Material zu löschen. Allerdings seien die Fotos bereits mehrfach kopiert worden. Details zur Identität der Männer wollte er nicht angeben: "Fest steht, dass die Kameraden versagt haben, das Ansehen der Bundeswehr kolossalen Schaden genommen hat und die Gefährdung unserer Truppen in Afghanistan unverzeihlich ist." Der Anfangsverdacht gegen drei Unteroffiziere aus Mecklenburg-Vorpommern habe sich nicht erhärtet.

Identität der Soldaten wird geheim gehalten

Das Ministerium lehnte eine Stellungnahme zu einem Bericht des Saarländischen Rundfunks ab, wonach auch Soldaten der Saarlandbrigade in die Affäre verwickelt sein sollen. Angeblich handelt es sich dabei um drei Zeitsoldaten aus Zweibrücken, die inzwischen vom Dienst suspendiert seien. Der Ministeriumssprecher sagte weiter, bisher gebe es keine Hinweise, dass sich ähnliche Vorfälle wie in Afghanistan - beispielsweise auf dem Balkan - ereignet haben könnten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Regierung spricht von "einzelnen furchtbaren Ausnahmen"

Grünen-Chefin Claudia Roth forderte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zu einem raschen Besuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf. Der Minister müsse sich im Namen der Bundesregierung und der deutschen Bevölkerung für die Entgleisungen entschuldigen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte nach einer Präsidiumssitzung in Berlin, es dürfe nicht zugelassen werden, dass einzelne schwarze Schafe die Bundeswehr als Ganzes in Verruf bringen. Nach Überzeugung des SPD-Präsidiums handelt es sich um "einzelne furchtbare Ausnahmen".

Die Lage in Afghanistan wurde vom Ministerium als "unverändert instabil und angespannt" bezeichnet. Bekannt sei, dass die Zahl der Anschläge und die Härte der Attacken in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hätten. Jung hatte angesichts der Affäre eine geplante Asien-Reise abgesagt und seinen für Ausbildung zuständigen General Dieter Naskrent nach Kabul beordert. Innenpolitiker hatten vor einem wachsenden Anschlagrisiko auch in Deutschland gewarnt.

DPA
DPA

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos