Einigung auf Haushalt Scholz, Habeck, Lindner: Die dreifache Unfähigkeit, sich zu entschuldigen

Haben sich im Haushaltsstreit geeinigt: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP, v. l.)
Haben sich im Haushaltsstreit geeinigt: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP, v. l.)
© Kay Nietfeld / DPA
Die Regierung irrt sich, die Bürger müssen zahlen: Olaf Scholz und seine Partner haben den Preis für ihre schwerwiegende Fehleinschätzung präsentiert. Statt die Verantwortung nach Karlsruhe abzuschieben, hätten sich die Vormänner der Koalition besser ein Wort des Bedauerns abgerungen.

Der Stil, in dem die Regierung am Mittwoch den neuen Haushalt präsentiert hat, verdient ein simples Wort: unanständig. Man sah drei verblüffend erleichterte Gesichter: Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister traten lächelnd vor die Presse. Man hörte jede Menge Selbstlob: Vertrauensvolle, vertrauliche und konstruktive Gespräche seien es gewesen, sagte Olaf Scholz. Man wunderte sich über Christian Lindner: Mit Blick auf die langen Verhandlungen machte er Witzchen darüber, dass er sich in den vergangenen Wochen nicht einsam gefühlt habe. Und man staunte, als Olaf Scholz schließlich den Grund dafür nannte, warum die Bundesregierung einen neuen Haushalt für das kommende Jahr aufstellen muss: das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. So war es am Mittag im Kanzleramt. So war es am Abend im Fernsehen.

Moment mal – fehlt da nicht was?

Die Koalition hat ihre Haushaltslöcher gestopft. Aber warum sie wirklich entstanden sind, das sagt sie nicht. Die finanziellen Fehlbeträge sind beseitigt, aber ein moralisches Defizit bleibt bestehen. Nicht der Kanzler, nicht sein Vize und auch nicht der Finanzminister brachten ein Wort der Reue über die Lippen, dass sie es waren, die dem Land den Schlamassel eingebrockt haben. Nicht Scholz, nicht Habeck und auch nicht Lindner bedauerten, dass nun Kürzungen, Streichungen, Einsparungen und höhere Energiekosten notwendig sind, weil die Ampel einen verfassungswidrigen Haushalt verabschiedet hat. Das Geld hat die Koalition zusammengekratzt, den Respekt der Bürgerinnen und Bürger hat sie sich damit nicht verdient.

Der Preis für eine schwere Fehleinschätzung

Scholz, Habeck und Lindner haben am Mittwoch nichts anderes als den Preis diktiert, den die Deutschen für eine schwerwiegende Fehleinschätzung ihrer Regierung bezahlen müssen. So etwas kann passieren, wer ist schon fehlerfrei? Aber hätte das Mindeste an korrekter Ansprache zu Beginn der Pressekonferenz dann nicht in etwa so lauten müssen: "Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat einen Haushalt vorgelegt, der nicht mit dem Grundgesetz vereinbar war. Wir sind damals nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen, aber wir haben uns geirrt. Es tut uns leid, dass dadurch nun Kosten entstehen, die Sie tragen müssen. Wir haben uns bemüht, die Belastungen so gering wie möglich zu halten, so gerecht wie möglich zu verteilen und so zukunftszugewandt wie möglich einzusetzen."

Doch so klang das ganz und gar nicht.

In jeder Bekundung, man respektiere selbstverständlich den Spruch des höchsten Gerichts, schwingt schon seit dem ersten Tag des Karlsruher Urteils der Satz mit: … auch wenn wir es nicht verstehen. In genervtem Formalismus kommt die Regierung dem Urteil nach, nicht aber mit einem Eingeständnis in der Sache. Man kann sich gut vorstellen, dass Olaf Scholz bis heute nicht nachvollziehen mag, wie eine Mehrheit der Karlsruher Richter tatsächlich zu einer anderen juristischen Bewertung kommen konnte als er.

Inakzeptables Spiel mit dem Ruf des Verfassungsgerichts

Doch die Ampel verwechselt nicht nur Ursache und Wirkung, wenn sie nun so tut, als habe sie alles richtig gemacht, nur leider habe das Bundesverfassungsgericht das nicht erkannt. Sie spielt auch ein inakzeptables Spiel mit dem Ruf jenes Gerichts, das – ganz im Gegensatz zur Bundesregierung – noch immer viel Ansehen genießt.

Bei nahezu jedem Auftritt heißt es, das Gericht habe der Regierung einen neuen Haushalt abverlangt. In Papieren, die am Mittwoch in der Koalition verteilt wurden, steht zu lesen, man habe auf das Karlsruher Urteil zu reagieren gehabt. Die höheren Benzinpreise, die jetzt bezahlt werden müssen, hat aber nicht das Verfassungsgericht verhängt. Die höheren Stromkosten, die jetzt anfallen, stehen nicht in der Urteilsbegründung der Karlsruher Richter. Die Belastungen sind allesamt das Ergebnis einer Operation, für die allein die Koalition die Verantwortung trägt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Es war zu erwarten, dass die Regierung versucht, ihren neuen Haushalt nun auch noch in der Sache zu rühmen. Am Mittwochabend in der ARD zum Beispiel wies der Kanzler Kritik an höheren Energiekosten mit dem Argument zurück, die Streichung umweltschädlicher Subventionen sei doch immer gefordert worden. Was er nicht sagte, war, dass es genau diese Subventionen waren, die zu streichen SPD, Grüne und FDP bei der Regierungsbildung vor zwei Jahren nicht die Kraft hatten. Unter anderem deshalb griffen sie ja damals zu jenem Haushaltstrick, der jetzt gescheitert ist. Die Streichung damals wäre eine politische Leistung gewesen. Die Streichung heute ist politisches Flickwerk.

Ob er sich entschuldigen wolle, wurde Olaf Scholz in der ARD auch gefragt. Wollte er natürlich nicht. 

rw

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