Serbiens Medien sind sich einig. Der knappe Sieg des Amtsinhabers Boris Tadic bei den Präsidentschaftswahlen in Serbien ist ein Bekenntnis der Wähler zur Europäischen Union: "Sieg des europäischen Serbien", titelte die Zeitung "Blic". "Serbien wählte Europa", überschrieb auch die Zeitung "Danas" ihren Kommentar.
Stadtmenschen wählen Europa
Der pro-westliche Präsident Tadic hatte am Sonntag die Stichwahlen ums Präsidentenamt mit 50,6 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen. Sein ultranationalistischer Herausforderer Tomislav Nikolic räumte noch am Wahlabend seine Niederlage ein. Er kam auf lediglich 47,7 Prozent, nachdem er im ersten Wahlgang vor zwei Wochen mit 40 Prozent der Stimmen noch deutlich vor Amtsinhaber Tadic lag.
Offenbar war die Wahlbeteiligung von 67 Prozent, die um fünf Prozentpunkte höher lag als zwei Wochen zuvor, ausschlaggebend für die Wahl des Europa-freundlichen Tadic. Außerdem habe Tadic laut Wahlkommission die großen Städte für sich gewonnen. Sowohl in Belgrad und Novi Sad, als auch in der zweitgrößten Stadt Nis im Süden des Landes haben sich Menschen mehrheitlich für Tadic entschieden.
Tadic will Kosovo in Serbien halten
Die EU hatte Tadic offen unterstützt und muss sich nun darauf vorbereiten, dass auch Tadic das Kosovo nicht ohne weiteres ziehen lassen wird. Um den Ausgang der Wahl nicht negativ zu beeinflussen und die ultranationalistischen Kräfte nicht zu stärken, hatte die Europäische Union Serbien Reiseerleichterungen und einen Freihandel angeboten. All dies in der Hoffnung, dass Tadic an der Macht bleiben würde und die Öffentlichkeit in Serbien darauf vorbereitet, dass das Kosovo unabhängig wird.
Der zweifache Familienvater Tadic sieht jedoch gerade in der EU-Annäherung eine Möglichkeit, das Kosovo für Serbien zu erhalten: "Auf dem Weg nach Europa aufzugeben, heißt buchstäblich, beim Kosovo aufzugeben", hatte er in einem Zeitungsinterview gesagt. Einen gewaltsamen Konflikt dürfe es keinesfalls geben. Er werde nie erlauben, dass "unsere Jugend jemals wieder in den Krieg zieht". Bereits in der Vergangenheit hatte er das Schlimmste verhindert: Mit seinen guten Kontakten zur Nato trug er dazu bei, dass sich albanische Übergriffe auf Serben im März 2004 nicht zu einer größeren Krise ausweiteten.
Der gefährliche Weg des Psychologen
Boris Tadic sieht sich als Aushängeschild des neuen Serbiens nach der demokratischen Wende und der Ablösung des fast unumschränkt regierenden Slobodan Milosevic im Oktober 2000 durch einen Volksaufstand. Der in Sarajevo geborene 50-Jährige besticht durch stets tadelloses Auftreten: Moderne Maßanzüge, sportliche Erscheinung und geschliffene Umgangsformen machen den grau-melierten und groß gewachsenen Politiker zum "Schwarm aller Schwiegermütter".
Der studierte Psychologe wurde erst spät Berufspolitiker. Obwohl er seiner Demokratischen Partei (DS) schon seit ihrer Gründung im Jahr 1990 angehörte, machte er dort erst nach der Ermordung des DS-Vorsitzenden und serbischen Regierungschefs Zoran Djindjic im März 2003 eine steile Karriere. Den heftigen innerparteilichen Machtkampf entschied er für sich, nachdem er Djindjics Ehefrau Ruzica auf seine Seite ziehen konnte.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Seitdem ist die Partei ganz auf seine Person zugeschnitten und erinnert Kritiker an einen "Wahlverein". Ende 2003 war Tadic erstmals DS-Spitzenkandidat bei Parlamentswahlen, Anfang des folgenden Jahres rückte er als Parteivorsitzender an die Spitze. Im Juni 2004 besiegte Tadic den Nationalisten Tomislav Nikolic ebenfalls in der Stichwahl und ist seitdem Präsident des demokratischen Serbien.
Sein pro-westlicher Kurs ist für Tadic nicht ungefährlich. Ende 2004 entging er wohl einem Attentat. Ein Auto versuchte mehrmals, Tadics Limousine zu rammen; der mutmaßliche Täter entkam unerkannt. In dem Jahr war Tadic zum Staatsoberhaupt des Balkan-Landes gewählt worden. Mit Hilfe mehrerer Parteien hatte er sich bereits damals gegen Nikolic durchgesetzt.