Alles halb so wild. "Wir stehen nicht am Rande einer furchtbaren Bedrohung", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Hinblick auf das geplante Sparpaket der Bundesregierung. Am Sonntag trifft sich das Kabinett auf Schloss Meseberg zur Haushaltsklausur. Insgesamt zehn Milliarden Euro müssen gekürzt werden, um die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse einzuhalten. Viel Geld, doch im Vergleich zu den Sparzwängen anderer Euro-Staaten wie Griechenland wirkt der Betrag moderat.
Trotzdem ist das Gezerre groß. Nur Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) kann sich das Geschehen gelassen ansehen. Bei den Ausgaben für Schulen und Forschungseinrichtungen soll nicht gespart werden. Ihre Kabinettskollegen müssen dagegen ihre Haushaltspläne gründlich durchforsten. Wo letztendlich gespart wird, steht aber noch nicht fest.
Schließlich gibt es noch eine Alternative zum Sparen: höhere Steuern und Abgaben. So wird munter über eine Erhöhung der Tabaksteuer, die Einführung einer Flugticketabgabe und einer Brennelementesteuer für Atomkraftwerke spekuliert. Schäuble selber schlug eine Erhöhung des Solidaritätsbeitrags von 5,5 Prozent auf 8 Prozent vor. Aber die Parteivorsitzenden von CDU,CSU und FDP schüttelten den Kopf.
Lesen Sie unten, wo in den einzelnen Ressorts gespart werden könnte.
Verteidigung: Schrumpfkur für die Armee
Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist als erstes Kabinettsmitglied mit Sparvorschlägen an die Öffentlichkeit gegangen. Die Sparvorgabe von Finanzminister Schäuble lautet 600 Millionen Euro im kommenden Jahr. Der CSU-Politiker will aber darüber hinausgehen: Er plant Einsparungen von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Guttenberg räumt dazu auch Positionen, die bisher in der Koalition nicht konsensfähig waren. So will der Minister nicht nur Kasernen schließen, sondern auch die Armee verkleinern und möglicherweise die Wehrpflicht aussetzen. Laut Medienberichten wird erwogen, die Armee von 250.000 Soldaten auf 150.000 zu verkleinern. Durch den Verzicht auf die Einberufung von Wehrpflichtigen ließen sich nach Berechnungen des Ministeriums 412 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält allerdings gar nichts von den Plänen. Gespart werden soll auch bei Rüstungsprojekten. Auf der Kippe stehen das Raketenabwehrsystem Meads und die letzte Eurofighter-Lieferung. Die FDP will zudem weniger Flugzeuge des Transport-Airbus A400M ordern. Das Sparpotenzial ist noch unklar. Zwar soll Meads 3,84 Milliarden Euro kosten, die Summe würde aber durch Umschichtungen im Etat nicht komplett wegfallen. Die Bundeswehr braucht für Auslandseinsätze zusätzliches Gerät.
Verkehr: Berliner Stadtschloss auf der Kippe
Auch von Peter Ramsauer erwartet der Finanzminister einen Sparbeitrag. Der CSU-Mann soll 2011 mit 260 Millionen Euro weniger auskommen. Mit einem Umfang von 26,3 Milliarden Euro verwaltet der Minister den drittgrößten Einzeletat unter den Ressorts. Anders als Guttenberg sieht Ramsauer wenig Spielraum für Kürzungen. Der größte Investitionsetat des Bundes sei kein Steinbruch, sagte Ramsauer. Trotzdem muss er einige große Bauvorhaben streichen oder zumindest verschieben. Sein Haus erarbeite eine Prioritätenliste, sagte der Minister. Auf der Kippe steht offenbar der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Der Baubeginn des 552 Millionen Euro teuren Vorhabens solle zumindest verschoben werden, hieß es in Medienberichten. Allerdings gibt es einen Bundestagsbeschluss über das Vorhaben. Der müsste dann revidiert werden. Als weiteres Mittel, dem Sparzwang zu entgehen, erwägt die Bundesregierung Mehreinnahmen durch eine Ausweitung der Lkw-Maut. Das soll einen dreistelligen Millionenbetrag einbringen.
Arbeit und Soziales: Kosten drücken bei Hartz IV
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will sich dem Sparzwang nicht verweigern. Ihr kommt aber vor allem die stabile Entwicklung am Arbeitsmarkt zugute. Der Bund muss 2011 voraussichtlich weniger Geld an die Bundesagentur für Arbeit (BA) überweisen als ursprünglich geplant. Statt 11,1 Milliarden Euro rechnet die BA nur mit einem Bedarf von 9,6 Milliarden Euro. Richtig sparen will die Ministerin bei den 40 Milliarden Euro, die für Hartz IV vorgesehen sind. An den Regelsätzen wird sich nichts ändern. Im Gespräch ist eine Mietpauschale für Empfänger des Arbeitslosengeldes II, um die Kosten für die Verwaltung und Streitschlichtung zu senken. Mit der Pauschale könnten Beträge im "dreistelligen Millionenbetrag" gespart werden, schätzt der Städte- und Gemeindebund. Auf der Streichliste steht ein Teil der milliardenschweren Zuschüsse für die Weiterbildung und die Wiedereingliederung von Arbeitslosen. Von der Leyen will die "am wenigsten wirksamen" Instrumente der BA streichen. Das könnte ein Fünftel der Programme für Jobsuchende betreffen. Noch steht aber nicht fest, wo gekürzt wird. Auf keinen Fall soll bei den Renten gespart werden. Die Koalition will es sich nicht mit den Ruheständlern verscherzen - einer wichtigen Wählergruppe.
Familien: Dämpfer fürs Elterngeld
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) lässt Sparmodelle beim Elterngeld durchrechnen. Die Lohnersatzleistung ist mit 4 Milliarden Euro jährlich der größte Posten in ihrem Etat. Es wurde 2007 von der schwarz-roten Koalition eingeführt. Es steht Müttern und Vätern bis zu 14 Monate zu, damit sie sich in dieser Zeit um ihre neugeborenen Kinder kümmern können. Am Höchstbetrag von 1800 Euro pro Monat soll sich nichts ändern, sagte Schröder. Die geplante Verlängerung der Vätermonate und die vorgesehene Teilzeitvariante werden aber vorerst nicht eingeführt. Auch das vor allem von der CSU geforderte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zuhause erziehen, stellt die Ministerin unter Vorbehalt. "2013 werden wir sehen können, ob wir es finanzieren können", sagte sie.
Wirtschaft: Abschied von der Steinkohle
Die Subventionen für die Steinkohle und die Gemeinschaftsaufgabe (GA) zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur hat Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) als Sparposten in seinem Sechs-Milliarden-Euro-Etat auserkoren. Rund fünf Prozent, fast 400 Millionen Euro will der FDP-Mann in den nächsten vier Jahren kürzen. Von den Zuwendungen für die Steinkohle profitiert in erster Linie Nordrhein-Westfalen. Mit 1,5 Milliarden Euro stützt der Bund den Bergbau. Die Förderung soll 2018 auslaufen, die FDP würde diesen Termin gern vorziehen. Die 664 Millionen Euro teure GA-Förderung kommt vor allem den neuen Ländern und Berlin zugute.
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