Erinnert sich noch jemand an Butch Cassidy und Sundance Kid? Zwei Halunken aus der guten alten Western-Zeit, die lange ziemlich erfolgreich Banken und Züge ausraubten – bis sie von einem Trupp Kopfgeldjäger in die Enge getrieben wurden.
Was die beiden Gauner mit der SPD zu tun haben? Zugegeben: als Personen, jedenfalls im Film "Zwei Banditen", dargestellt von Robert Redford und Paul Newman – nicht viel. Die beiden verkörpern Butch Cassidy und Sundance Kid als gut aussehende, charmante, verwegene, witzige Gesellen.
Andererseits gibt in dem Film diese wunderbare Szene: Butch und Kid hocken auf einem Felsvorsprung. Viele, viele Meter unter sich einen reißenden Strom. Hinter sich die Verfolgermeute.
"So, wie ich es sehe, können wir jetzt kämpfen oder uns ergeben", sagt Kid.
"Nein, wir springen", schlägt Butch vor. "Ich springe zuerst."
"Nein."
"Dann springst du zuerst."
"Ich sagte, nein."
"Was ist los mit dir?"
"Ich kann nicht schwimmen!"
"So was Verrücktes! Du kommst doch wahrscheinlich tot unten an."
Dann springen sie. Und überleben und entkommen, vorerst.
Der Aufprall der SPD wird hart
Die SPD, um uns mal ans eigentlich Thema ranzuarbeiten, bevor dieser Text zu Ende ist, die SPD hat sich in einer ähnlich ausweglosen Situation jetzt nach langem Hin und Her endlich dazu entschieden, zu springen. Und eines kann man garantieren: Der Aufprall wird hart sein, das Wasser kalt, und ob sich die Partei retten kann, ist höchst ungewiss.
Aber: Sie ist gesprungen.
Soviel Mut hätte man den in Umfragen auf 15 Prozent abgesackten Sozialdemokraten schon gar nicht mehr zugetraut. Dies ist ein Wert an sich. Dass es der Mut der Verzweiflung ist, lassen wir mal gnädig beiseite.
Am Wochenende hat der Parteivorstand jedenfalls seine Ideen von einem "neuen Sozialstaat für eine neue Zeit" vorgestellt und einstimmig verabschiedet. Seitdem weiß man immerhin, wohin der Weg der SPD führen soll (nun gut, fürs Erste; sicher sein, dass Beschlüsse lange Bestand haben, kann man sich bei dieser wankelmütig gewordenen Partei nicht). Man könnte diesen Weg auf die einfache Formel bringen: Mehr Hilfe, weniger Härte. Zurück in die Zukunft.
Zurück in die Zeit vor Hartz IV
Zurück zumindest in jene Zeit, als es Hartz IV noch nicht gab. Die SPD hat sich an den Reformen der zweiten Regierung Schröder erst kaputt und nun endlich auch satt gelitten. Obwohl die Arbeitsmarktreformen die deutsche Wirtschaft erst wieder wettbewerbsfähig gemacht haben, haben Schröders Genossen nie wirklich ihren Frieden mit ihnen gemacht. Dass sie nun einen Schlussstrich darunter ziehen und Hartz IV im schönsten Neusprech in "Bürgergeld" umtaufen wollen, ist deshalb konsequent – und manche Punkte sind sogar richtig. Dazu gehört, dass ältere Menschen wieder länger Arbeitslosengeld bekommen sollen und dass ihr Vermögen länger geschützt bleibt.
Noch besser wäre es allerdings gewesen, die SPD hätte eingesehen, dass alles seine Zeit hat. Dass sie Hartz IV gar nicht verteufeln muss – und die Gesetze trotzdem verändern darf und kann. Nichts ist ewig in Stein gemeißelt, in der Politik schon gar. Aber der Stolz auf die eigenen Erfolge der jüngeren Vergangenheit ist der deutschen Sozialdemokraten eigentümlicher Weise abhanden gekommen. Auch deshalb wirkte diese Partei ja so verzagt.
SPD-Beschlüsse für eine wieder linke Partei
Man kann die Beschlüsse vom Wochenende deshalb auch anders interpretieren: Was der SPD-Vorstand vorgelegt hat, mit Bürgergeld, Respekt-Rente, höherem Mindestlohn, mehr Teilzeit, mehr Weiterbildung, aber ohne klare Finanzierungsvorschläge, das ist nichts anderes als das Konzept für eine – wieder – linke Partei. Es ist überdies der klare Gegenentwurf zur Politik ihres Partners in der Großen Koalition. Vieles von dem, was die SPD will, wird mit der Union nicht zu machen sein. Und das ist gut so. Die Wahl zwischen zwei Parteien, die ihre Konturen zu verlieren drohten, wird damit wieder einfacher. Und diese Regierung, die keiner wollte, könnte womöglich schneller beendet sein als vereinbart.
Die SPD ist also gesprungen. Es ist ein Sprung ins Ungewisse. Er hilft ihr zumindest vorerst aus dem größten Schlamassel. Die Sozialdemokraten haben sich an diesem Wochenende, wenn man so will, mit sich selbst ausgesöhnt. Das ist die Vorbedingung dafür, dass sich auch ein paar Wähler mit der SPD aussöhnen könnten. Mehr aber auch noch nicht.
Butch Cassidy und Sundance Kid sind nach ihrem Sprung in den Strom nach Bolivien weitergeflohen und haben Banken überfallen. Dann wurden sie erschossen.
PS: Kleiner persönlicher Nachtrag. Noch ein schöner Satz aus "Zwei Banditen". Sundance' Freundin Etta sagt ihn: "Ich tue alles, worum ihr mich bittet, außer einem: Ich sehe euch nicht beim Sterben zu."