Im Zeichen eines anhaltenden Stimmungstiefs und schwerer Rückschläge bei Wahlen beginnt die SPD heute (Montag) in Bochum ihren dreitägigen Bundesparteitag. Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Parteiführung erhoffen sich ein Aufbruchsignal, um angesichts schlechter Umfragewerte und einer Welle von Parteiaustritten wieder Boden gut zu machen. Im Mittelpunkt des Eröffnungstages stehen eine Rede des SPD-Vorsitzenden Schröder sowie die Wahl der engsten Führung.
Zukunftsfragen statt
Schröder will die 530 Delegierten aufrufen, nicht "rückwärts gerichtete Debatten" wegen der bereits beschlossenen Reformen zu führen, sondern sich Zukunftsfragen zuzuwenden. An die etwa einstündige Rede schließt sich am Nachmittag eine Aussprache an, bei der Delegierte ihrem Unmut über das Verhalten der SPD-Spitze Luft machen dürften.
Vertrauen zurückgewinnen
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering zeigte sich optimistisch, dass mit dem Parteitag das Stimmungstief überwunden werden kann. "Viele Menschen haben zur Zeit kein Vertrauen in uns. Sie warten ab, aber sie laufen nicht weg. Das ist unsere Chance, wir können sie wiedergewinnen", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Montag/Essen). Die Leute stünden der Reform-"Agenda 2010" skeptisch gegenüber, weil sie die Inhalte noch nicht begriffen hätten. "Die Menschen haben den Überblick verloren", meinte Müntefering.
'Soziale Statik' weiter beachten
Der Chef der Chemie-Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt rief die SPD dazu auf, bei den anstehenden Reformen die "soziale Statik" zu beachten. "Davon hängt nicht zuletzt die Akzeptanz in der Bevölkerung ab", sagte Schmoldt der Zeitung "Die Welt" (Montag). Einstimmig hatte die zuständige SPD-Parteikommission gestern (Sonntag) die vier zentralen Leitanträge gebilligt. Das vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck geleitete Gremium beschloss dabei einige Konkretisierungen. So wurde ausdrücklich noch einmal betont, dass ein Erststudium weiter kostenlos sein müsse. Jüngere SPD-Politiker vom "Netzwerk" waren zuvor offen für Studiengebühren eingetreten.
Neuauflage des Dauerbrenners Vermögenssteuer
Einmütig wurde den 523 Delegierten auch eine Anhebung der Steuern auf große Erbschaften vorgeschlagen. Einer von mehreren Landes-SPD- Vorsitzenden vorgeschlagenen Wiedereinführung der Vermögensteuer erteilte Müntefering erneut eine Absage. Diese sei "nicht das richtige Instrument", sagte er im am Sonntagabend im ZDF.

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Schulz wieder Spitzenkandidat für Europawahl
Eine SPD-Europa-Konferenz wählte am Abend mit rund 98 Prozent der Stimmen den EU-Parlamentarier Martin Schulz zum SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl 2004. Der 47-Jährige war vor einigen Monaten durch einen Streit im EU-Parlament mit Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi bekannt geworden, der ihm polemisch eine Filmrolle als NS-Scherge angeboten hatte.
Schröder-Rede mit Spannung erwartet
Mit Spannung wird erwartet, ob sich der Kanzler in Bochum entschließt, vom Podium aus stärker als bisher auf die Gefühle der SPD-Delegierten angesichts des Stimmungstiefs einzugehen. Bei seiner Wiederwahl kann er mit einem überzeugenden Votum rechnen. Vor zwei Jahren hatte er 88,58 Prozent Ja-Stimmen erhalten. Ein "Denkzettel" droht Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Er kandidiert ebenso wie Thierse und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erneut als stellvertretender SPD-Vorsitzender. Neue Schröder-Stellvertreter sollen die Stuttgarter SPD-Landeschefin Ute Vogt und Beck werden.