Die FDP erntet für ihr entschärftes Steuerkonzept gleichermaßen Lob und Tadel. Bundeskanzlerin Angela Merkel befürwortet den Vorschlag. Zustimmung kam auch vom Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU), der Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und diverse Wirtschaftswissenschaftler halten das Konzept hingegen für nicht umsetzbar.
Nach den Plänen der FDP sollen Bürger und Unternehmen spätestens ab 2012 um bis zu 16 Milliarden Euro im Jahr entlastet werden. Statt des bisher vorgeschlagenen Drei-Stufen-Tarifs werden nun fünf Stufen angestrebt. Bei mehr als 53.000 Euro Jahreseinkommen soll ein Satz von 42 Prozent gelten, bei einem Einkommen von über 250.000 Euro pro Jahr sind 45 Prozent vorgesehen. Ursprünglich hatte die FDP einen Höchst-Steuersatz von 35 Prozent ab dem Jahr 2011 verlangt.
Merkel lässt Höhe der Entlastungen offen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Steuervorschläge der FDP begrüßt, lässt aber Höhe und Zeitpunkt noch offen. "Es ist ja erstmal festzuhalten, dass das gestern vorgestellte Steuerkonzept ein sehr konstruktiver Beitrag zur geplanten Steuerreform ist", sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Welche konkreten Spielräume die Regierung haben werde "können wir natürlich erst im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung, der Ergebnisse der Steuerschätzung im Mai abschätzen". Die Koalition werde eine einvernehmliche und tragfähige Lösung finden, meinte die Vize-Regierungssprecherin weiter.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich grundsätzlich offen, die Vorschläge aufzunehmen. "Für uns gilt der Koalitionsvertrag. Darin sind Steuerentlastungen enthalten", sagte Ministeriumssprecher Michael Offer. Nach Ansicht Schäubles stehen weiter 19,5 Milliarden Euro aus, um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesamtentlastung von bis zu 24 Millionen Euro im Jahr zu erreichen. Schäuble bezieht in seine Rechnung nur Teile des ersten schwarz-gelben Steuerpakets ein. Dieses Paket hat einen Umfang von rund 4,5 Milliarden Euro. Die FDP berücksichtigt dagegen das gesamte Paket im Volumen von mehr als acht Milliarden Euro.
Zuerst Reformen, dann Erleichterungen
Der Städte- und Gemeindebund kritisierte hingegen das am Dienstag vorgestellte Modell der FDP und lehnt das neue Steuerkonzept als "unbezahlbar" ab. Die Kommunen können angesichts ihrer "katastrophalen Finanzlage" weitere Steuerentlastungen nicht verkraften, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. "Wer Steuerentlastungen befürwortet, muss den Kommunen sagen, wie sie mit noch weniger Einnahmen die Kinderbetreuung verbessern, die Schulen sanieren, die Kultur fördern und das örtliche Handwerk stärken sollen", kritisierte Landsberg.
Städte und Gemeinden hätten zugleich wegbrechende Einnahmen und explodierende Sozialausgaben zu verkraften. In diesem Jahr betrage das Defizit der Kommunen über zwölf Milliarden Euro, rechnet Landsberg vor. Bevor über Steuererleichterungen diskutiert werde, seien grundlegende Reformen und eine angemessene Finanzausstattung der Städte und Gemeinden erforderlich.
"Unseriöse Art der Finanzpolitik"
Der Deutsche Gewerkschaftsbund beanstandete das FDP-Konzept ebenfalls. "Frei nach dem Motto rechte Tasche, linke Tasche ist das FDP-Steuerkonzept sozial ungerecht und ökonomisch unsinnig", sagt DGB-Chef Michael Sommer. "Was netto mehr auf dem Lohnzettel steht, wird den Bürgerinnen und Bürgern durch staatliche Ausgabenkürzungen, höhere Gebühren, höhere Medikamentenzuzahlungen oder einen teuren Nahverkehr gleich wieder genommen".
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) vermisst bei der FDP sogar den Realitätssinn. "In Anbetracht der Haushaltssituation halte ich es nur für schwer möglich, ein solches Entlastungsvolumen zu stemmen" sagte er der "Financial Times Deutschland".

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Kritisch sehen auch Wirtschaftswissenschaftler die FDP-Steuerpläne. Peter Bofinger bezeichnet sie als eine unseriöse Art der Finanzpolitik. Die FDP mache den zweiten Schritt vor dem ersten. Zunächst gelte es, die strukturelle Verschuldung von 90 Milliarden Euro abzubauen.
Chance für Verständigung zwischen CDU und FDP
Der Unions-Fraktionschef der CDU, Volker Kauder, ist wiederum erfreut über die Pläne der FDP: "Die FDP hat sich bewegt. Die Richtung stimmt" sagte er. "Beim Zeitplan für die Steuerreform sind die Liberalen jetzt flexibler". Im nächsten Jahr werde es keine weiteren Steuerentlastungen geben. Da seien sich CDU und FDP einig. "Auch beim Stufentarif kommt uns unser Koalitionspartner nun entgegen." Die Koalition werde nach der Steuerschätzung Anfang Mai prüfen, wie viel Spielraum es für eine Entlastung gebe.
Der weitere Zeitplan hänge von der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung ab, meinte Kauder. "Ich kann mir allerdings Entlastungen für den Steuerzahler im Jahr 2012 gut vorstellen". Die Koalition werde 2011 endgültige Klarheit schaffen. "Das bedeutet: Es wird vor der Sommerpause eine Entscheidung über die Steuerreform geben."
Auch die DIHK begrüßte das FDP-Konzept als "wichtige Weichenstellung". Zur Finanzierung der Reform seien allerdings Ausgabenkürzungen ab 2011 unverzichtbar, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Mit der schrittweisen Beseitigung von kalter Progression und dem sogenannten Mittelstandsbauch nehme die FDP die zentralen Schwächen der Einkommensbesteuerung ins Visier. Zudem enthalte das Modell der Liberalen viele Vorschläge, mit denen das Steuersystem vereinfacht und entbürokratisiert werden könne. "Für die Unternehmen ist das Bekenntnis der FDP ganz wichtig, dass eine gute Kommunalsteuer auch immer abhängig von der Ertragslage im Unternehmen sein muss", betonte er.