Die Anzahl der Gründe, weshalb sich Angela Merkel hätte vergangene Woche unbedingt in Europa aufhalten müssen, ist überschaubar. Gut, das Wetter spielt derzeit dem Kontinent in die Karten. Aber auf das Klima ist ja seit geraumer Zeit auch kein Verlass mehr. Niemand hätte sich gewundert, wenn der teils schon eingetretene Schneefall sich flächendeckend bis in die Tieflagen ausgedehnt hätte. Nur die wenigsten aber können spontan in die Ferne fliehen, falls düsteres Dauergrau am Himmel die persönliche Euro-Depression zur seelischen Depression mutieren lässt. Nicht mal die Kanzlerin kann sich das erlauben. Sie muss sogar Auslandsreisen von langer Hand planen. Mal abgesehen von kurzfristigen Hit-and-Run-Missionen nach Brüssel oder Paris. Aber rein buchhalterisch gesehen darf man das sowieso nicht mehr als Ausland ansehen.
Wenn Deutschland schon den ganzen EU-Laden monetär am Leben hält, ist ein Trip in andere europäische Hauptstädte für Merkel gefühlt eher ein Besuch der eigenen Filialen. Deutschland ist im Prinzip mittlerweile Alleinaktionär von Europa. Zwar auf Pump, aber immerhin. Kapitalismuskritiker mögen das nun bekritteln, weil dadurch Deutschland keinen Deut besser ist als ein Hedgefonds, der mit wenig Eigenkapital Unternehmen kauft und denen den Kaufpreis als Schulden aufdrückt. Aber der Vergleich hinkt nicht nur, sondern kommt schon im Rollator daher. Denn zum einen kauft sich Deutschland dadurch zusätzliche Schulden und wird seiner diffusen Verantwortung für alle Dritte-Welt-Länder nördlich von Afrika gerecht. Zum anderen hat Merkel keinen Bock darauf, Europa in die Tonne zu treten, nur weil zu Zeiten von Rot-Grün jeder scharlataneske Staat in die EU rein und die Stabilitätskriterien zum Narren halten durfte. Merkel ist somit insgeheim der Ansicht, dass ihr politisches Erbe an die Nachwelt auf keinen Fall der Untergang Europas, sondern nur der wirtschaftliche Burnout Deutschlands sein dürfe. Merkel hat somit längst kapiert: Europa ist ihr persönliches Vietnam.
Django Asül live
... am 22. Oktober in Peiting (Schlossberghalle), 23. Oktober in Sontheim (Dämpfsäg) und am 24. Oktober in Burgau (Kapuzinersaal). Mehr Infos unter django-asuel.de
Da die Kanzlerin jedoch hierzulande nur einen Lieblingsvietnamesen hat, der nicht mal ein Lokalbesitzer, sondern lediglich Übergangswirtschaftsminister aus einer Untergangspartei ist, ist sie von langer Hand geplant nach Vietnam gereist, und hat dort mit einem Riesenklöppel auf die Pauke gehauen. Die Botschaft an die Weltgemeinschaft war eindeutig: Jetzt schlägt´s dreizehn! So kann es nicht weitergehen, wird es aber trotzdem! Und ihr hat es in Vietnam richtig gut gefallen. Auch wenn sogar im fernen Osten einheimische Politiker sie nach dem Zustand Europas befragt und somit ihr indirekt ans Hosenanzugshosenbein gepinkelt haben.
Dazu muss man wissen, dass die Vietnamesen als die Preußen Asiens gelten. Dazu wiederum müssten die Asiaten wissen, dass es Preußen als disziplinierten Ordnungsrahmen in Form einer Region gar nicht mehr gibt. Wo früher die Disziplin regierte, waltet seit langer Zeit Wowereit und somit der Länderfinanzausgleich. Weil dieses System in Deutschland so gut funktioniert, wird es nun auf die europäische Ebene übertragen. Man muss nicht Volkswirtschaft studiert haben, um zu begreifen: Solange es genug Drucker gibt, wird das Geld nicht ausgehen.
Die Opposition indes meinte, es zieme sich nicht für eine Kanzlerin, nach Fernost zu reisen, wenn sich in der Heimat eine Stimmung wie in Nahost immer mehr breit macht. Das ist natürlich Populismus der blinden, wenn nicht gar tauben Sorte. Nahost und Fernost sind schließlich zwei Seiten derselben Tretmine, wie uns die jüngere amerikanische Geschichte lehrt. Weil der Ami in Vietnam militärisch eher suboptimal agiert hat, wollte er zur Wiedergutmachung wenigstens Afghanistan und den Irak mittels enorm detonativer Lernhilfen zu demokratischer Räson bringen. Was in etwa so fruchtbar und furchtbar ist wie das neue Antibiotikum namens EFSF zur Eindämmung der fiskalischen Schweinegrippe in der EU.
Ob Merkel in Vietnam oder Berlin sich Sehenswürdigkeiten anschaut, spielt keine Rolle. Mal abgesehen davon, dass es in Deutschland sowieso keine Riesenklöppel gibt. Und selbst wenn, würde die Kanzlerin das Teil derzeit lieber einem Ackermann um die Ohren hauen. Um mitzukriegen, wie das deutsche Volk tickt, muss Merkel nicht vor Ort sein. Dafür gibt es ja Trojaner, die ein realistisches Bild über die Wünsche und Sehnsüchte des gemeinen Volkes eruieren sollen. Wobei der Ausdruck Trojaner sehr fälschlich gebraucht wird. Jeder, der nicht nur zwecks Dealen und Lehrerautos abfackeln in der Schule war, weiß: Es waren nicht Trojaner, sondern Griechen, die sich in den Eingeweiden des Holzpferdes verschanzt hatten. Daraus folgt: Wenn Griechen perfide agieren, geht das auch ohne EU. Das hilft natürlich weder Merkel noch der Troika und führt zu immer mehr Nervosität. Dabei ist Ruhe das Gebot der Stunde. Nur keine Hektik verbreiten. Also am besten Troika abziehen. Und Stoiker hinschicken.